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Rezension zu
Wie man einen Toaster überlistet

bitterböse, moralisch - und trotzdem leicht

Von: creepy creatures reviews
16.08.2019

Cory Doctorow »Wie man einen Toaster überlistet«

Heyne 2019, 175 Seiten Alles beginnt mit dem Morgen, an dem Salima feststellte, dass ihr Toaster nicht mehr funktionierte. Für uns wäre das allerhöchstens ein Schulterzucken wert; einige würden ihn aus schlechtem ökologischen Gewissen noch versuchen zu reparieren oder zu einem Repair-Café gehen. Die meisten würden ihn wohl einfach wegwerfen und sich beim nächsten Baumarkt für 20,-€ einen neuen kaufen.
Aber das kann Salima nicht. Denn der Toaster gehört nicht ihr - er ist Teil der Wohnungseinrichtung ebenso wie Geschirrspüler und Waschmaschine. Sie lebt als ehemaliger Flüchtling in einem Bostoner Wohnkomplex auf der Seite, auf der die Armen leben. Das merkt sie jeden Tag mindestens zwei mal, denn wenn sie vom 38 Stock ins Erdgeschoss möchte, muss sie auf den Fahrstuhl warten. Auch das wäre für uns lediglich ein Schulterzucken wert, für Salima bedeutet es aber 45 Minuten warten. Denn auf der anderen Seite der Fahrstühle leben die besser Situierten. Und die haben Vorrang was den Fahrstuhl angeht: wenn einer derjenigen, die auf der Sonnenseite wohnen auf den Knopf für den Lift drücken, fährt dieser immer zuerst dorthin. Auch hält die Kabine dann nicht mehr für die Schattenseitler - deswegen dauert es so lange, bis Salima endlich in den Aufzug steigen kann. Aber daran hat sie sich längst gewöhnt. Das mit dem Toaster ist viel schlimmer, denn wenn der kaputt ist, kann sie nicht mehr toasten. Selbst wenn es ein Software-Ding ist. Denn der Hersteller des Toasters ist pleite gegangen und selbst das zertifizierte Brot kann nun nicht mehr getoastet werden. Früher konnte Salima wenigstens noch das Brot toasten, dass der Hersteller erlaubte (und das war natürlich das aus den eigenen Fabriken). Der Geschirrspüler erlaubt ebenfalls nur zertifiziertes Geschirr, die Waschmaschine nur Waschmittel, dass auf der erlaubten Liste steht, die Mikrowelle nur die Fertiggerichte, die der Hersteller vorschreibt. Salima findet schließlich im Internet Anleitungen zum hacken des Toasters. Plötzlich funktioniert er nicht nur, sie kann sogar das Brot darin toasten, das sie woanders gekauft hat! Sie beginnt - nachdem sie den Mikrowellenherd auch gehackt hat - selbst Brot zu backen und merkt, dass es nicht nur viel besser schmeckt sondern noch dazu günstiger ist. SO lautet der Originaltitel des Buches auch »unauthorized bread«

Schnell spricht sich das herum und bald sind fast alle Schattenseitler in der Lage ihre Küchengeräte so zu benutzen, wie sie es wollen. Doch dann wird der pleite gegangene Hersteller des Toasters aufgekauft und nun hat Salima ein Problem…

Die Novelle des US-Autors Doctorow, der für seinen Kampf um faires Copyright in den Staaten fast so etwas wie eine Ikone ist, ist bitterböse ohne dabei weh zu tun. Rabenschwarzer Humor, bei einem das Lächeln gefriert wenn man plötzlich merkt, wie sehr Salima von der Gut der Elektrogeräte-Hersteller und deren Tochterfirmen abhängig ist. Riesige Firmenkomplexe schreiben nicht nur vor, was man essen darf und wie es man es essen darf, sie beteiligen Immobilienfirmen an den Einnahmen ihrer Zwangsgeräte und schaffen einen wahrhaften TEUFELSkreis. Die brave Salima, die tut was sie kann um sich ein besseres Leben zu ermöglichen - und das ist bemerkenswert - ist keine Figur, die beim Leser auf die Tränendrüse drückt. Es gibt kein entnervtes Augenrollen über die alte Onkel-Toms-Hütte Idee, denn Doctorow ist darauf bedacht, es nicht zu plakativ werden zu lassen. Ihm gelingt die Kunst einer messerscharfen Kritik an den herrschenden Gesellschaftssystemen ohne dabei mahnend den belehrenden Zeigefinger hochzuhalten. Der Leser fiebert mit Salima mit, hofft, dass sie ihren kleinen, bescheidenen Kampf für mehr private Freiheit gewinnt und das die Großkonzerne nicht obsiegen. Der Toaster steht dabei nur symbolisch für die Fremdbestimmung, die wir mittlerweile wie selbstverständlich hinnehmen. Für das Einkauf nehmen der Kontrolle des eigenen Lebens durch gewinnorientierte Firmen, denen nichts egaler ist als Freiheit aber nichts wichtiger als Profit, macht und Daten. 

Nicht erst in den letzten Jahren ist Sci-Fi sozialkritisch geworden, doch es häufen sich die Romane, die vor einer Zukunft warnen, in der wir unsere eigene Freiheit aufgegeben haben. Weil es leichter ist, weil irgendetwas versprochen wird oder weil wir schlicht keine Energie mehr haben, ständig dagegen anzukämpfen. 

Doctorow verbindet in »wie man einen Toaster überlistet« nicht gerade wenige Aspekte der Systemkritik: die Arm-Reich-Schere, die Benachteiligung von Flüchtlingen, die Abhängigkeit von Elektronik aber vor allem die Macht der gierigen Konzerne. Dabei schafft er es, dabei nicht die moralische Keule über den Köpfen des Leser zu schwingen. Er beschreibt die Zustände in Salimas Boston in neutralem, sachlichen Ton. Er klagt nicht an, empört sich nicht, spielt nicht Anwalt und Richter sondern erzählt einfach nur seine (Salimas) Geschichte. Der Leser kommt der jungen Frau dabei nah, erfährt vieles über ihre Geschichte und weniges über ihren Charakter. Denn das meiste macht sie mit sich selbst aus und Doctorow lässt nur hin und wieder in ihre Gefühlswelt blicken.

»wie man einen Toaster überlistet« ist eine böse aber auch schöne Novelle über Freiheit und Unterdrückung, deren schwerer Charakter so leicht verpackt ist, dass es kaum auffällt, wie schwer er wirklich ist.

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