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Rezension zu
Die Karte der zerbrochenen Träume

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Beeindruckend und berührend

Von: Lesen ist Luxus
06.09.2019

2011: Nour ist zwölf Jahre alt und fühlt sich sehr alleine. Ihr Vater ist nach einer schweren Krebserkrankung gestorben und ihre Mutter hat beschlossen, die Wahlheimat der Familie, New York, zu verlassen und mit den drei Töchtern Zahra, Huda und Nour zurück in ihre syrische Heimat zu ziehen. Nour ist in New York geboren und spricht kaum Arabisch. Für sie ist das alles fremd. Ihre Gedanken sind bei ihrem Vater und bei den Geschichten, die er ihr immer erzählt hat. Ab hier beginnen zwei parallele Geschichten. Zu Beginn jedes Kapitels hört man die fiktive Geschichte von Rawiya, dann die von Nour. Rawiya Rawiya ist eine junge Frau im 12. Jahrhundert. Sie lebt in Ceuta, der kleinen spanischen Enklave auf dem afrikanischen Kontinent. Ihr Vater ist schon vor Jahren verstorben, der Bruder auf See verschollen, und nun zieht es auch Rawiya weg von Zuhause. Da sie als Frau nicht allzu viele Optionen hat, verkleidet sie sich als Mann und macht sich auf die Suche nach dem großen Kartografen Al-Idrisi (den es im Übrigen wirklich gab), dem sie sich anschließen will. Als sie ihn trifft, stellt er ihr drei Rätsel, die sie alle mit Bravour meistert, woraufhin dieser sie als Lehrling einstellt. Sie machen sich gemeinsam auf eine weite Reise, erst nach Palermo an den Hof von König Roger, dann in dessen Auftrag einmal rund ums Mittelmeer, um das Meer, die Länder, die Flüsse und die Städte zu vermessen und zu kartografieren. Die Reise ist abenteuerlich und enthält diverse Fantasie-Elemente, wie den riesigen Vogel Roch, den Rawiya immer wieder mit ihrer Steinschleuder verjagt, oder gigantische Schlangen. Das Ganze hat etwas von einem Märchen. Rawiya wird auf ihrer Reise durch die Türkei und Syrien nach Ägypten immer wieder verfolgt, bedroht, leidet Hunger und Durst. Doch sie lernt gute Freunde kennen, verliebt sich sogar ein wenig und fühlt sich eigentlich trotz der widrigen Umstände sehr wohl auf dieser Reise – eine echte Abenteurerin eben. Sie hat eine sehr große Faszination für Steine und Landkarten und entwickelt sich zu Al-Idrisis bester Mitarbeiterin. Nour Und dann ist da Nours Geschichte. Während die Familie gehofft hat, im syrischen Homs nach dem Tod des Vaters zur Ruhe zu kommen, brechen dort bald Unruhen aus. Als gerade Abu-Said, ein guter Freund der Familie zum Essen da ist, schlägt eine Granate in der Nachbarschaft ein und plötzlich befinden sie sich mitten im Krieg. Nours Schwester Huda hat es am Schlimmsten erwischt, ein Granatsplitter hat sich in ihre Schulter gebohrt. Die Familie sammelt das Nötigste ein, was sie noch aus den Trümmern retten kann und macht sich auf den Weg ins Krankenhaus. Als dieses komplett überbelegt ist, fahren sie mit dem Auto von Abu-Said in die nächstgelegene Stadt. Von dort aus beginnt eine dramatische Flucht, die in weiten Teilen die gleiche Route hat wie Rawiyas Reise. Deren Geschichte gibt Nour Hoffnung und Trost. Unterwegs treffen sie noch eine weitere Familie, mit der sie gemeinsam weiter reisen. Sie erleben erstaunlich viel Hilfsbereitschaft von Menschen, die selbst nichts haben, aber auch Gewalt und Tod. Nours Mutter verdient ihren Lebensunterhalt eigentlich mit dem Zeichnen von Karten, ein Thema, das sich also durchzieht. Auch auf der Flucht hat sie eine bestimmte Karte immer dabei, die Karte, die Nour und ihren Schwestern den Weg weisen soll an ihr bisher unbekanntes Ziel der Flucht. Abu-Said hingegen hat eine große Leidenschaft für Steine, die er sich mit Nour teilt. Es ist so etwas wie ihr kleines Geheimnis und hat wiederum Bezüge zu Rawiyas Geschichte. Das Thema Geografie und Kartografie verbindet die beiden Geschichten und gibt Nour in den schlimmsten Momenten Kraft. Kartografie finde ich extrem spannend. Wir sind es heute gewohnt, so viele Details über die Welt zu wissen, dass man sich kaum vorstellen kann, wie es war, als man das alles noch nicht wusste. Die Expedition von Rawiya und Al-Idrisi war deshalb für mich sehr faszinierend. Meine Meinung Der Schreibstil des Buchs ist wirklich toll, es ist eine sehr bildhafte Sprache mit viel Tiefe. Obwohl ich mich an manchen Stellen mit den arabischen Namen schwer getan habe, finde ich gerade das Arabische sehr faszinierend. Natürlich war Syrien in den vergangenen Jahren ein großes Thema in den Nachrichten, aber diese Perspektive war für mich etwas Neues. Das verbindende märchenhafte Element nimmt dem Roman ein wenig die Schärfe und lässt einen viel über Kultur und Geschichte, sowie natürlich über Kartografie lernen. Die Karte der zerbrochenen Träume ist ein sehr ungewöhnliches Buch. Wenngleich Nours Geschichte fiktiv ist, symbolisiert sie doch beispielhaft die Geschichte so vieler Menschen, die aus Syrien fliehen mussten. Obwohl sie durch die lange Zeit in New York und das vergleichsweise gute Einkommen der Eltern sicherlich noch eine relativ gute Position hat, zu fliehen, ist es doch eine dramatische Geschichte, wie ich selbst sie mir nicht vorstellen kann. Ich bin sehr froh, mich in der privilegierten Position zu befinden, dass ich noch nie Hunger und Durst leiden musste, dass in meiner Stadt keine Granaten einschlagen oder Menschen sich gegenseitig ungestraft umbringen. Ich bin froh, dass ich noch nie auch nur an eine Flucht irgendwohin denken musste. Umso wichtiger ist es, dass man sich solche Schicksale anschaut, nicht wegschaut, sondern man dankbar ist, für das, was man hat. Auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick nicht das positivste Buch ist, das man sich aussuchen kann, gibt einem die Geschichte von Nour doch auch sehr viel Kraft, die sie aus ihrer Familie, ihren Freunden und der ihr entgegengebrachten Nächstenliebe zieht, ebenso wie Hoffnung, dass es auch in den schlimmsten Situationen etwas Positives gibt und auch die Aussicht auf eine bessere Zukunft.

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