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Rezension zu
Der Store

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Leistungsgesellschaft 2.0

Von: Franziska_J
13.09.2019

„Wir leben in einem Zustand der Entropie. Wir kaufen Dinge, weil wir auseinanderfallen und weil etwas Neues uns das Gefühl vermittelt, wieder ganz zu sein. Nach diesem Gefühl sind wir süchtig, und dadurch hat Cloud uns in der Gewalt. […] Jahrelang haben wir Geschichten darüber gelesen, Bücher wie Schöne neue Welt und 1984 und Fight Club, […]aber die Botschaft haben wir ignoriert.“ Was wäre, wenn ein Großteil der gesamten Weltwirtschaft von einem einzigen Onlinestore dominiert werden würde? Wenn man da an den Versandriesen Amazon denkt, ist diese Vorstellung vielleicht gar nicht so abwegig. Doch was wäre, wenn dieser Shop eine Art Parallelgesellschaft schafft, indem er seine Millionen von Mitarbeiter auf einem gesonderten Campus unterbringt, der alles hat, was eine eigene Stadt braucht: medizinische Versorgung, Parks, Restaurants und andere Freizeitbeschäftigungsmöglichkeiten? Und was, wenn der Preis, den die Angestellten dafür zu bezahlen haben, die totale Kontrolle ist? In seinem dystopischen Roman Der Store (erschienen am 2.9.19 bei Heyne)entwirft Rob Hart genau solch eine Gesellschaft und zeigt auf beängstigende Weise, wie der Wille um Fortschritt, der den Menschen eigentlich ein besseres, lebenswerteres Leben ermöglichen sollte, in eine repressive, bis ins kleinste Detail kontrollierte Gesellschaft münden kann, in der das Individuum nichts weiter ist als eine Maschine, die jederzeit Leistung zu erbringen hat. In seinem Romandebüt bringt Hart, der als politischer Journalist, Kommunikationsmanger für Politiker und im öffentlichen Dienst der Stadt New York gearbeitet hat, den Leser durch politisches Feingefühl und kluge Dialoge dazu, darüber nachzudenken, in was für einer Welt wir leben wollen und wer die wahren Mächtigen unserer Konsumgesellschaft sind. „Wir bieten alles von Unterhaltung über medizinische Versorgung und Wellness bis hin zu schulischen Einrichtungen. Wenn sie einmal hier sind, werden Sie nie wieder fortgehen wollen. Außerdem will ich, dass Sie sich hier zu Hause fühlen. Obwohl Ihre Sicherheit absolute Priorität für uns hat, werden Sie trotzdem nicht an jeder Ecke Überwachungskameras sehen. “ Ausgangspunkt der Handlung sind Paxton und Zinnia, die sich durch ihre Arbeit beim weltgrößten Onlinestore Cloud kennenlernen. Während Paxton, dessen eigenes Unternehmen durch Cloud in den Ruin getrieben wurde, einen Job beim Sicherheitsdienst ergattert hat, arbeitet Zinnia im Lager. Die beiden kommen sich näher, obwohl sie ganz unterschiedliche Absichten haben, was ihre Arbeit bei Cloud sowie ihre Zukunft betrifft. Doch beide sind von Beginn an ziemlich kritisch, was die Dauerüberwachung der Mitarbeiter und die seltsamen Machtstrukturen des Unternehmens betrifft und sie merken, dass in Cloud längst nicht alles so läuft wie es sollte: Drogen, Gewalt, Selbstmord und zwielichtige Machenschaften des Mangements stehen an der Tagesordnung. Wiederstand gibt es verdeckt sowohl aus den eigenen Reihen als auch von einigen mutigen Kämpfern, die sich dem Unternehmen von außen zu nähern versuchen. Doch weder Paxton noch Zinnia ahnen, wie weit Cloud wirklich geht, um seine Mitarbeiter und besonders sich selbst zu schützen. „Zinnia fuhr mit dem Zeigefinge über das Display der Uhr. [….] Nachts aufladen. Sonst nicht abnehmen, weil es Gesundheitsdaten aufzeichnete, Türen öffnete, dein Rating registrierte, Arbeitsaufgaben übermittelte, Transaktionen abwickelte und wahrscheinlich noch hundert andere Dinge tat […]. Genauso gut hätte man Handschellen tragen können.“ Wie so ziemlich jede Dystopie beruht auch Der Store auf der totalen Kontrolle des Individuums und der daraus resultierenden maximalen Macht eines undurchsichtigen Systems. Anders als in George Orwells Roman 1984 manifestiert sich die Kontrolle jedoch nicht durch einen in Kameras allgegenwärtigen großen Bruder, sondern durch eine Armbanduhr, die jeder Mitarbeiter rund um die Uhr tragen muss und nur zum Schlafen ablegen darf. Es scheint fast, als sei Der Store in Hinsicht auf Überwachungsmöglichkeiten eine modernere Fassung von 1984. Mit technischem Fortschritt steigen nämlich auch die Möglichkeiten der Überwachung um ein Vielfaches. Während man 1984 vielleicht nicht mehr unbedingt als bedrohlich empfindet, weil ein Großteil der Orwellschen Überwachungstechniken für uns so alltäglich geworden sind, dass wir sie kaum mehr hinterfragen, stellt sich beim Lesen von Der Store ein tiefes Unbehagen ein. Smartwatches zum Beispiel gehören längst zum Alltag. Beim Lesen von Der Store wird den meisten Lesern vermutlich erst wirklich bewusst, welches Überwachungspotential in diesen kleinen Uhren steckt. Die meisten Menschen legen ihre Uhr vermutlich ähnlich wie Paxton und Zinnia nur zum Schlafen ab und es wäre für Menschen mit entsprechenden Kenntnissen ziemlich leicht, ihr gesamtes Leben zu überwachen. Fitnessapps kontrollieren unseren Gesundheitsstatus schon jetzt und dass sich auch der Aufenthaltsort sehr leicht herausfinden lässt, ist auch nichts Neues. Auf beeindruckende Weise macht Hart klar: Was sowohl technischen Fortschritt als auch das daraus resultierende Wirtschaftswachstum angeht, gibt es kein Zurück mehr. Ist eine Erfindung einmal gemacht, sind die gesellschaftlichen Folgen unter Umständen unabsehbar und katastrophal, auch wenn wie im Fall von Cloud eigentlich eine gute Absicht dahinter stand. Der Store – erschreckend reale Dystopie, Liebesroman und rasanter Thriller in einem. Lest weiter unter: https://www.randomhouse.de/Buch/Der-Store/Rob-Hart/Heyne/e554411.rhd

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