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Rezension zu
Die Frau im Musée d'Orsay

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Eine Geschichte in vier Bildern

Von: Lesendes Federvieh
14.09.2019

Wie aus heiterem Himmel kündigt Antoine Duris seine Professorenstelle an der Hochschule der Bildenden Künste in Lyon, löst seinen Mietvertrag auf und zieht mit einem einzigen Koffer nach Paris. Seinen abrupten Lebenswandel erklärt er seinen Freunden mit der Ausflucht er würde an einem Roman arbeiten, doch tatsächlich bewirbt er sich als Wärter im Musée d'Orsay. Die Schönheit der ihn umgebenden Gemälde scheint seinen Schmerz zu lindern, der ihn nach einem einschneidenden Ereignis nicht mehr loszulassen droht. Als Mathilde, die Personalchefin des Museums, auf der Bildfläche erscheint, regt sich in Antoine wieder etwas wie Hoffnung, Lebensfreude und der Mut, einen neuen Weg einzuschlagen. David Foenkinos hat eine ganz eigene, pointierte Art zu erzählen, die ohne Vorwarnung eine Bandbreite an intensiven Gefühlsregungen zu erzeugen vermag. Unter dem Deckmantel der Kunst lässt er tiefgründige Themen anklingen, beleuchtet dabei auf ungewöhnliche, teils obskure Weise die Szenerie. Gänzlich gegensätzliche Gedanken von Peiniger und Opfer werden ohne weitere Kommentierung von selbigen in aufeinanderfolgenden Kapiteln aneinandergereiht, wodurch die zuvor evozierten Gefühle der Abscheu, des Ekels und der aufflammenden Wut wirkungsvoll verstärkt werden und man als Leser doch hilflos dabei zusehen muss wie das Übel seinen Lauf nimmt. Die Geschichte ist jedoch keineswegs ausschließlich von Schwermut durchzogen, gleichwohl gibt es die hellen, hoffnungsvollen Momente, die ein leises Lächeln auf die Lippen zaubern. Als mein kleines, persönliches erzählerisches Highlight sollten sich die sorgfältig dosiert eingestreuten Anmerkungen in den Fußnoten entpuppen. Der darin stets enthaltene spitze Unterton war mal vergleichbar mit einem Augenzwinkern, mal beinahe anklagend, aber immer irritierend nachdenklich stimmend. Auf mich wirkte die Untergliederung der Geschichte in vier Teile wie Erzählungen zu vier Bildern, die in ihrer Gesamtheit ein Kunstwerk bilden, das den Titel "Die Frau im Musée d'Orsay" trägt. In jedem Bild, jeder Teilgeschichte dominiert eine Stimmung, ein Motiv, ein ähnlich bleibender Blickwinkel und doch hängen sie schlussendlich alle zusammen. Das Schlüsselelement ist dabei Antoine Duris, Professor einer Hochschule der Bildenden Künste, dessen facettenreichen Charakter ich faszinierend zu ergründen fand. Obgleich er mit seinen lebhaften, inspirierenden Vorträgen zu Modigliani und Picasso Studentenmassen zu begeistern vermag, wird er innerhalb einer kurzen Zeitspanne zu einem seltsam anmutenden Kauz, für den die geringste Form an Kommunikation ein großes Maß an Anstrengung erfordert. Welches einschneidende Ereignis bringt einen Hochschulprofessor dazu, seine Stelle zu kündigen und sich mit seinen herausragenden Qualifikationen als Wärter im Musée d'Orsay einstellen zu lassen? Diese Fragestellung könnte man wohl als Untertitel zu der Bilderserie betrachten. Die zentrale Rolle der Kunst, der Betrachtung der Schönheit sowie deren Vermögen den Schmerz zu lindern und das Dunkle zu vertreiben, wie auch die Erschaffung liegt jedem Erzählteil wie eine weiße Grundierung zugrunde. Findet Antoine in Gegenwart der Werke Modiglianis und dabei besonders seines Portraits von Jeanne Hébuterne den Mut nach vorne zu schauen und ein neues Buch in die Hand zu nehmen, so ist die Malerei für seine Studentin Camille ein Ausdrucksmittel, um ihre inneren Stimmen zu ordnen. Mehr als einmal verspürte ich während des Lesens aufgrund der eindrucksvollen Schilderung den inneren Drang mich in den frühen Morgenstunden alleine in das Musée d'Orsay zu schleichen, um die stille Schönheit der Gemälde auf mich wirken zu lassen. "Die Frau im Musée d'Orsay" ist ein bewegender Roman von großer Schönheit, von Kunst und ihrer Möglichkeit die Hässlichkeit eines Verbrechens und seiner emotionalen Auswirkungen zu heilen. Es ist eine Erzählung in vier Bildern, die in ihrer Gesamtheit ein großartiges Kunstwerk bilden, das durch die pointierte Sprache besticht.

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