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Rezension zu
Die Abenteuer des Alexander von Humboldt

Außergewöhnlich tolle Umsetzung des Themas!

Von: Katharina Hoppe
14.09.2019

Mit 29 Jahren erhielt Alexander von Humboldt die Erlaubnis des spanischen Königs, seine südamerikanischen Kolonien zu erforschen und begab sich auf ein fünfjähriges Abenteuer voller Strapazen, Entbehrungen und Entdeckungen. Heute wäre der Naturforscher 250 Jahre alt geworden. Anlässlich dieses Jubiläums erarbeitete die Humboldt-Expertin Andrea Wulf in Zusammenarbeit mit der Illustratorin Lillian Melcher auf Grundlage von Tagebucheinträgen »Die Abenteuer des Alexander von Humboldt« – eine wirklich außergewöhnliche Graphik Novel zu seiner großen Südamerikareise… Wir begleiten den jungen Humboldt und seine tapferen Begleiter von Spanien über das heutige Kuba, Peru, Mexiko bis in die frühen Vereinigten Staaten und werden Zeugen all der Widrigkeiten, denen sie begegnen: Klirrende Kälte, sengende Hitze, die Anstrengungen 18-stündiger Wanderungen (samt Ausrüstung, allein an Messinstrumenten mussten 42 Stück mitgeschleppt werden), Überfälle, Erdbeben, Typhus, mitten in Krokodilgebiet kenternde Bote, Sprachbarrieren mit indigenen Völkern, uninteressierte Banausen in der Zivilisation, Piranhabisse, Kakteenstacheln, Bambusschnitte, Felsabschürfungen, Nebel, fehlerhafte Karten, angenagte, vermoderte Pflanzen, die in Mühevoller Arbeit getrocknet worden waren, Schlangen, Moskitos, Gerüchte und Fieber – all diesen Widersachern trotzt die Gruppe an begeisterungsfähigen Forschern zu Beginn des 19. Jahrhundert und kann von mir gar nicht genug Respekt ernten für ihr Durchhaltevermögen angesichts dieser Strapazen im Ungewissen. Denn alles, was Andrea Wulf hier in Form von Dialogen schildert ist nach Humboldts Tagebüchern so passiert. Selbst der jahrhundertelang belächelte Kampf zwischen Pferden und Aalen konnte vor wenigen Jahren nachgewiesen werden. Hier offenbart sich eine große Stärke des Buchs: Andrea Wulf bleibt nicht nur bei den Ereignissen selbst, sondern ordnet sie in einen Gesamtzusammenhang und bezieht neue Forschungen mit ein. Sie verweist auf die Bedeutung bestimmter Entdeckungen oder Ideen Humboldts und offenbart so den weitreichenden Einfluss, den seine Reise auf sämtliche Forschungsbereiche hatte. So kam der Naturforscher seinerzeit – und damit 100 Jahre vor der Theorie der Verschiebung tektonischer Platten – auf den Gedanken, dass Südamerika und Afrika einst zusammenhingen, weil sich nicht nur die Küstenform, sondern auch die Flora der betreffenden Küstenabschnitte stark ähnelte. Er entdeckte den magnetischen Äquator, erfand die isothermen, geschwungenen Linien auf Wetterkarten und setzte in seinem Naturgemälde nicht die lokale Gebundenheit, sondern die Höhenlage ins Verhältnis zum Pflanzenaufkommen. Auch in Hinblick auf den Naturschutz war Humboldt ein Vorreiter und warnte vor den Folgen der rücksichtslosen Abholzung. Sklavenhaltung und die Ausbeutung von Indianern und Arbeitern durch Missionare oder mexikanische Bergbauunternehmen (an dieser Stelle war ich schockiert: Die Bergmänner in den Minen mussten je bis zu 160 kg Geröll über 2000 Stufen hinauftragen – zehnmal täglich) verurteilte der Naturforscher zutiefst und widmete dem Thema sogar eine eigene Publikation. Trotz solcher schweren Themen bemüht sich das Buch stets um eine leichte und humorvolle Tonalität, die sich durch Situationskomik und Running Gags, vor allem aber wegen der allzeit fassbaren, unerschöpflichen Begeisterung Humboldts trägt (Als er, ein leidenschaftlicher Vulkanliebhaber, die Chance auf die Besichtigung eines Vulkanausbruchs bekommt, ist er begeistert, muss aber weichen, weil ein Schiff zu früh ablegt, als dass er sich das Spektakel anschauen könnte und verzweifelt auf köstliche Weise). So beobachten wir, wie er astronomische Beobachtungen um Mitternacht verschläft, wie ein Fisch, der seziert werden sollte, versehentlich vom Koch zum Abendessen verarbeitet wird, wie schwimmende Postboten sich mit Turbanen auf dem Kopf durchs Wasser treiben lassen, wie Humboldt nach all den Strapazen beinahe von einer Statue erschlagen wird und wie er bei einer Überfahrt mitten im Hurrikan den Punkt berechnet, an dem das Schiff kippt… »ES LENKT MICH AB… ALSO KANN ICH GENAUSO GUT DEN GENAUEN ZEITPUNKT BERECHNEN, WANN WIR STERBEN… SO HAT DAS STERBEN WENIGSTENS METHODE.« S. 250 Mit »Die Abenteuer des Alexander von Humboldt« gelang Andrea Wulf ein kleiner Geniestreich. Niedrigschwellig geschrieben und reich illustriert ist es eine Freude für Jung und Alt. Humboldts Charakter, seine enorme Neugier und Begeisterungsfähigkeit (immerhin stellte er selbst seine Gesundheit hinter Forschungen zurück und schmierte sich Chemikalien und Säuren in Wunden, um ihre Wirkung zu dokumentieren), sein Ehrgeiz, sein Selbstbewusstsein, seine Strahlkraft und moderne Einstellung zu Sklavenhaltung und Naturschutz (wenngleich Tierschutz angesichts so manch fragwürdiger Experimente nicht unbedingt ein Thema für ihn war) werden mit Witz greifbar an die Leserschaft herangetragen und heben so den Schleier der Distanz, der solcherlei Persönlichkeiten doch für gewöhnlich umgibt. Es ist spürbar, wie viel Arbeit hinter scheinbar kleinen Dialogen und letztlich dem gesamten Buch steckt, was auch in Hinblick auf die aufwendige Gestaltung offenkundig wird. Der Detailreichtum der Collagen aus Illustrationen Melchers und Originalzeichnungen, -Handschriften und -Bildern (nicht zu vergessen die äußere Form mit Lesebändchen, Goldfolierung auf dem Einband und insgesamt wertiger Verarbeitung) macht es einfach, lange auf einer Doppelseite zu verweilen und die Schönheit der Komposition in sich aufzunehmen.

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