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Rezension zu
Dopesick

Keine Macht dem Medikamentenmissbrauch!

Von: kaisu
29.09.2019

“Ihre [Wirtschaftswissenschaftler Anne Case und Angus Deaton] im Dezember 2015 veröffentlichte hochbrisante Analyse belegte, dass die Sterblichkeit unter weißen Amerikanern zwischen 1999 und 2013 jährlich unbemerkt um ein halbes Prozent angestiegen war, während in anderen wohlhabenden Ländern die Sterblichkeit im mittleren Alter kontinuierlich zurückging.” (S.28) Als ich das Buch aufgeschlagen habe, wusste ich zunächst nicht so recht, was mich erwarten wird. Wie hat die Autorin Beth Macy ein so verschwiegenes Thema um die tausenden stummen Medikamententode aufgebaut? Wie verpackt sie alles so, das einem vor lauter Fakten nicht der Schädel brummt. In einem kurzen Vorwort teilt sie ein paar Hintergrundinformationen mit. So begann sie bereits 2012 über die Heroinepidemie in Roanoke zu schreiben. Sie besucht in der Zeit Familien, lernt Schicksale kennen und spürt die menschliche Scham. Trotzdem erlauben ihr viele später ihre privaten Geschichten zu verwenden. Niedergeschrieben in “Dopesick”. Es kommen Zahlen und Fakten. Zahlreiche Daten, Namen und Ereignisse. Es dröhnt der Schädel und man merkt direkt, wie der Kopf vor lauter Informationsfluss abschaltet. Also erstmal durchatmen, zuklappen, ablenken und dann weiterlesen. Der erste Teil “Das Volk gegen Purdue” ist regelrecht vollgepackt mit Informationen. Überall kleben Post-Its am Rand und unweigerlich stellte ich mir die Frage: Geht das jetzt die nächsten dreihundert Seiten so weiter? Wie soll ich das alles in mir aufnehmen? Wie lange soll ich an dem Buch zu knabbern haben? “Auch Van Rooyan, die in Folsom (Kalifornien) wohnte, hatte aus dem Buch Pain Killer von Van Zees Kampf gegen Purdue erfahren und wollte dem Landarzt eine entscheidende Frage stellen: >Warum zum Teufel ist ein derart starkes Medikament überhaupt auf den Markt gekommen?<” (S.89) Im zweiten Abschnitt lockert die Autorin die Zügel. Jetzt geht es zu den Familien, den Opfern, die erst den Medikamenten und später den “richtigen” Drogen verfallen sind. Wobei, manchmal war der zweite Schritt nicht einmal notwendig um zu sterben. Ganz häufig liest man, wie Patienten im Krankenhaus behandelt wurden. Es gab Medikamente zur Linderung, intravenös oder oral. Man vertraut seinem Arzt. Schließlich beherrscht er sein Fachgebiet und will Menschen helfen. Oder etwa doch nicht? Geht es hier nur um das schnelle Geld? Die Sucht nach Reichtum und Wohlstand? Sind ihnen ihre Patienten egal? Diesen Eindruck gewinnt man zunehmend. Der Begriff OxyContin fällt häufig. Es ist ein Schmerzmittel. Allerdings mit starkem Suchtpotenzial. Patienten werden so ungewollt zu Junkies. Wollen nach der Behandlung immer mehr und rutschen oftmals in den Heroinsumpf ab. Oft unbemerkt von dem eigenen Umfeld. Warum sollte auch der Sohn, der so gut in der Schule ist und perfekte Leistungen bringt, süchtig sein? Nein! Das kann nicht sein! Sehr oft liest man, dass die Familien es nicht sehen wollten und sie sich heute dafür schämen. “Als ich sie zwei Jahre nach dem Tod ihres Sohnes traf, war sie noch immer nicht dazugekommen, alle Türen wieder einzubauen. Zerfressen von Schuldgefühlen und Trauer konnte sie nicht mehr arbeiten.” (S.149) Somit beginnt eine Flucht nach vorne. Es muss Aufklärung betrieben werden. Es müssen die Ärzte daran gehindert werden, solche harten Medikamente zu verschreiben. Solche Medikamente sollten generell verboten werden. Doch der Weg ist lang und steinig. Am Beispiel der Familien sieht man die Entwicklung. Wo konnte man kleine Siege erringen und wo muss noch gekämpft werden. Dabei sollte man niemals denken, dass das nur in Amerika passiert. Dieser Medikamentenmissbrauch ist auch in Deutschland allgegenwärtig. Einfach mal das eigene Umfeld fragen, ob sie überhaupt wissen, was sie da zu sich nehmen. An frei käuflichen (Schmerz)Medikamenten. Selbst Rezepte sind nicht sicher. Hier ein Ziepen, dort ein Drücken und man bekommt ein Rezept. Hand hoch, wer kennt nicht die Ärzte, die einen sofort krankschreiben mitsamt Rezept ohne einen groß zu untersuchen? “Dopesick” rüttelt auf, ist voller Emotionen und interessanter Fakten. Ein bedrückender Kampf gegen behördliche Wundmühlen. Trotz den holprigen Einstiegs, kann ich das Buch nur jedem empfehlen. Selbst wenn man glaubt darüber alles zu wissen, wird hier sicher eines Besseren belehrt. “Der von Trump ernannte neue Justizminister Jeff Sessions verkündete im März 2017: >Wir müssen es so formulieren, wie Nancy Reagan es damals tat: >Sag einfach Nein. Tu es nicht!<< Und zwei Monate später schlug die Trump-Administration vor, die Behörde des Drogenbeauftragten des Weißen Hauses durch eine Budgetkürzung um 364 Millionen Dollar faktisch zu zerschlagen, obwohl der Kampf gegen die wachsende Opiodeepidemie zu Trumps Wahlversprechen gehört hatte.” (S.311)

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