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Rezension zu
Der von den Löwen träumte

Hemingway und das Meer

Von: letteratura
23.10.2019

Hanns-Josef Ortheils neuen Roman „Der von den Löwen träumte“ wollte ich nicht deshalb unbedingt lesen, weil ich ein Fan von Ernest Hemingway wäre, um den es in dieser Geschichte geht. Nein, ich bin vielmehr eine Liebhaberin der unaufgeregten Erzählweise Ortheils, seiner oft nachdenklichen, tiefsinnigen und stets so lebensbejahenden Bücher. In Ortheils Romanen fühle ich mich immer wohl, soweit man das so über die Lektüre von fiktiven Geschichten sagen kann. Ich fühle mich immer an die Hand genommen und voller Aufmerksamkeit und Behutsamkeit vom jeweiligen Erzähler durch die Geschichte geführt, so als wäre ich direkt mit dabei. Nachdem ich mich mit dem letzten Roman des Autors „Der Typ ist da“ nicht ganz so anfreunden konnte wie mit früheren Lektüren, hat mich sein neues Buch wieder überzeugt. Ortheil nimmt uns mit nach Venedig, es ist das Jahr 1948, und Ernest Hemingway ist soeben in der Lagunenstadt angekommen. Mit dabei seine vierte Frau Mary, die im Gegensatz zum weltberühmten Autor eher auf touristischen Pfaden unterwegs sein wird. Außerdem dabei hat Hemingway immer einen kleinen Vorrat an Alkohol. Nicht direkt sichtbar, aber präsent ist seine inzwischen einige Jahre andauernde Schreibkrise, die er hofft, durch den Aufenthalt in Venedig endlich in den Griff zu bekommen. Er möchte sich der Stadt auf andere Weise nähern, möchte nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen – was schwierig ist, schließlich spricht sich die Ankunft des Literaturstars schnell herum und jeder will einen Blick auf den berühmten Mann werfen oder ihm in irgendeiner Form nahekommen. Auch Sergio Carini ist einer von denen, die sich von der Gegenwart Hemingways etwas erhoffen: Er arbeitet als Reporter für die venezianische Tageszeitung Il Gazettinno und versucht, sich dem Autor wie zufällig zu nähern, um seine Informationen dann in einem Artikel bzw. einem Buch zu verarbeiten. Tatsächlich kommt er bald mit Hemingway ins Gespräch und die beiden Männer sind sich sympathisch. Hemingway ist so klug, dem anderen zumindest etwas zu geben, damit dieser sich erst einmal zufrieden gibt. Vor allem aber kommt ihm die Idee, mit Sergios Sohn Paolo auf dessen Boot durch die Lagune zu fahren und sich von ihm Orte abseits des Touristenstroms zeigen zu lassen. So sind es letztlich Hemingway und Paolo, die mit der Zeit Freunde werden. „Der von den Löwen träumte“ folgt seiner Hauptfigur durch Venedig und auf dem Weg hinaus aus der Krise, denn der größte Erfolg Ernest Hemingways wird wenige Jahre später noch kommen: Die Novelle „Der alte Mann und das Meer“. Zunächst einmal aber lernt Hemingway noch die junge Adriana kennen, 30 Jahre jünger als er und eine platonische Liebe, wie es heißt, die aber seine Ehe mit Mary auf eine harte Probe stellt. Es ist diese Bekanntschaft, die zunächst in einem anderen Roman verarbeitet wird, nämlich in „Über den Fluss und in die Wälder“ von 1950. Die Geschichte eines älteren Mannes und seiner jungen Geliebten. Nach der Lektüre von „Der von den Löwen träumte“ habe ich erst einmal meine eklatanten Lücken bezüglich des Autors Ernest Hemingways und seines Werks versucht, wenigstens grob zu schließen, was in aller Ausführlichkeit noch einige Lektüre nach sich zöge. Es mag zwanzig Jahre her sein, dass ich „In einem anderen Land“ von ihm gelesen habe, die Erinnerung ist also alles andere als präsent. Themen wie Fischfang und Jagd sowie sein Ruf als Macho tragen nicht gerade dazu bei, seine Bücher unbedingt lesen zu wollen – aber natürlich sollte mich das nicht abhalten. Ortheil schaut immer ganz genau hin, wenn er Sergios Familie beschreibt, zu der nicht nur Paolo und Elena, Sergios Ehefrau, sondern auch seine Tochter Marta gehört, die eine größere Rolle im Roman einnimmt. Es sind einfache Leute, Fischer, Menschen, die nicht viel besitzen und die vor allem an ihre Familie denken. Liebenswerte Charaktere und alles andere als einfältig. Auch die Zerrissenheit des großen Schriftstellers setzt Ortheil gekonnt in Szene, ebenso wie man beim Lesen nur zu genau spürt, welch Aura diesen Mann umgeben haben muss. Wie gewohnt schreibt Ortheil in aller Behutsamkeit, in schnörkelloser, treffender und schöner Sprache. Der junge Paolo wird in Ortheils Roman zu einem Alter Ego des jungen Manolin, des Jungen, der Santiago, den „alten Mann“ aufs Meer begleitet hat, bis seine Eltern es ihm verboten. Wie alle anderen Figuren darf auch Paolo sich in der Geschichte weiter entwickeln. Und ganz am Ende dieses ruhig fließenden, lesenswerten Romans steht dann irgendwo am Horizont „Der alte Mann und das Meer“.

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