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Rezension zu
Märzveilchen

Märzveilchen

Von: Xeniana
22.04.2015

Um es vorwegzunehmen: Märzveilchen ist ein Buch, das mich noch lange begleiten wird. Sarah Kirsch, eine der großen zeitgenössischen Lyrikerinnen, schrieb Tagebuch. Die Lyrikerin entzieht sich allen Etikettierungen und das bleibt auch in ihrer Prosa so. Ihr Tagebuch “Märzveilchen” gewährt einen Einblick in das ereignisreiche Jahr 2002. Kleine Miniaturen mal lyrisch, mal prosaisch, mal schnoddrig, mal spöttisch machen auf ihre unverwechselbare Weise den Alltag sichtbar, meist ist es der Alltag in Tielenhemme, einem hundertfünfzig Seelenort in Dithmarschen, ein Ort, dünn besiedelt, nahezu menschenleer. Hier lebt Sarah Kirsch mit Blick auf den ruhigen Fluss der Eider in einer alten Dorfschule. Mit feiner Beobachtungsgabe nimmt sie die Natur wahr. Da ist von Nebel die Rede der wie eine Gummizelle das Haus umschließt und Wind der sich von allen Seiten gegen das alte Schulgebäude wirft. Aber auch die politischen Ereignisse werden vermerkt: Bombardements in Tora Bora, Übergangsregierung in Afghanistan, Plastiksprengstoff im Strumpf eines Selbstmordattentäters, George W. Bush in Berlin, Amoklauf in Winnenden. Immer geht es Hand in Hand einher mit Beschreibungen des ganz normalen Alltags. “Hab wieder mal im Schlafrock mit einem Affenzahn die Mülltonnen rausgerollt, hatte ich gestern vergessen.” Sie schreibt, sie malt “Akwareller”, sie liest, sie kocht mit Maxe ihrem Sohn, geht zum Friseur, sieht Tatort. Es ist genau diese Alltäglichkeit, welche die kleinen Wunder des Lebens, insbesondere des Landlebens sichtbar macht. Nichts ist zu banal um Eingang in ihre Aufzeichnungen zu finden. Keine Aufreger, nichts dramatisierendes, das Leben ist ein langsamer ruhiger Fluss. Vielleicht ist es genau das was den Zauber dieses Buches ausmacht. Es bildet ein Gegengewicht zu einer Gesellschaft die von Hektik, Atemlosigkeit und Effizienz geprägt ist. “Ein neuer Schwarm Wacholder-und Rotdrosseln seit gestern in den Pappeln, mal am Fluss, mal am Grünen Weg. Hellblau-grau marmorierter Himmel. Dies zu haben ist wunderbar. Abgeschottete Nerven.” Sie ist eine unkonventionelle Schriftstellerin, die sich jeder Sortierung entzieht und in ihren Tagebuchaufzeichnungen oft mit frecher Berliner Schnauze kommentiert: “Tach deer Arbeet mit Schrödern in Leipzig. Auch Wortspielereien erfrischen: Fetter Nebul, Mistwoch, Mandrill. Sarah Kirsch bearbeitete ihre Tagebuchaufzeichnungen erst zehn Jahre später um sie dann zu veröffentlichen. Ein wunderbares, leises, sensibles Buch, ein Buch das ich derzeit täglich aufschlage, dass mich daran erinnert das das Leben ist. Ein Buch mit einem liebevollen, aufmerksamen Blick. Zur Autorin: Sarah Kirsch geb. am 16. April 1935 in Limlingerode(Südharz) verbrachte ihre Kindheit in Halberstadt. Nach dem Abitur begann sie aus Liebe zur Natur eine Forstwirtschaftslehre, brach diese aber bald desillusioniert ab und studierte in Halle/Saale Biologie. Schon hier widmet sie sich bereits der Lyrik und ist zusammen mit ihrem Mann Rainer Kirsch Mitglied im “Zirkel junger Autoren”, was einer Kandidatur für den Schriftstellerverband gleichkam. Im Zuge des “Bitterfelder Weges”, der sich dem Bemühen widmete, Arbeits- und Literaturwelt zu verknüpfen, arbeitete sie neben dem Studium am Literaturinstitut Johannes R.Becher in Leipzig in landwirtschaftlichen Großbetrieben und der Produktion. Sie unterschrieb 1976 einen Brief der sich gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns wendete. Die Konsequenzen waren umfassend. Sarah Kirsch wurde aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen und aus der Partei ausgeschlossen. 1977 siedelte sie nach Genehmigung ihres Ausreiseantrages zunächst nach Westberlin über, lebte aber von 1983-bis zu ihrem Tod im beschaulichen Tielenhemme. Die Landschaft Schleswig-Holsteins, insbesondere des in Dithmarschen liegenden Tielenhemme machte sie zum Gegenstand ihrer Poesie. Sie schrieb Lyrik, journalistische Prosa und Kurzgeschichten. Darüber hinaus verfasste sie zusammen mit Ehemann Rainer Kirsch Hörspiele für Kinder. Sie starb im Alter von 78 Jahren am 5. Mai 2013. Ihr Tagebuch “Märzveilchen” erschien 2012 bei Deutsche Verlags-Anstalt München (Random House Verlagsgruppe). Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

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