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Rezension zu
Nachttiger

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Eine Geschichte, so schön und selten wie ein Tiger

Von: Reenchenz
31.12.2019

Mit ihrem Roman „Nachttiger“ entführte mich die Autorin Yangsze Choo, entlang eines geschlungenen Dschungelpfades, nicht nur in ein vergangenes Jahrhundert, sondern auch in einen Weltteil, den ich bisher nicht wirklich kenne und zu einer Kultur, die mir fremder nicht sein kann. Ich bin ihren literarischen Tigertatzenspuren gerne gefolgt und habe mich fesseln lassen von der erzählten Geschichte. 1931, Britisch-Malaya: Der alte Arzt McFarlane stirbt und wird begraben. Doch leider nicht vollständig. Sein vor Jahren amputierter Finger ist verschollen. Ein Problem, denn laut Aberglauben findet eine Seele nur die ewige Ruhe, wenn der Körper vollständig unter die Erde befördert wird. Am Sterbebett wird der junge chinesische Houseboy Ren von seinem Herrn mit dem Auftrag betraut, den Finger zu finden und innerhalb der nächsten 49 Tage, die Frist für die Erlösung der Seele, mit dem Körper zu bestatten. Auf der Suche gelangt Ren in den Haushalt eines weiteren britischen Arztes, der einige Geheimnisse zu hüten und eine unwahrscheinliche Glückssträhne zu haben scheint. Doch nicht nur in seinem Umfeld gibt es auch mysteriöse Todesfälle. Die Angst vor dem Tiger geht um. Zur selben Zeit gelangt die Tänzerin Ji Lin durch Zufall an einen kuriosen und makabren Gegenstand, den sie mit Hilfe ihres Stiefbruders Shin so schnell wie möglich wieder loswerden will. Die Wege von Ji Lin und Ren kreuzen sich und beide geraten in einen Strudel aus Aberglauben, Liebe und Verrat. Im Zentrum der Erzählung stehen Ren und Ji Lin, wobei die Geschichte von Ji Lin aus der Ich-Perspektive geschildert wird, während die Kapitel über Ren aus der 3. Person geschildert werden. Von der ersten Seite an hat mich der geheimnisvolle und atmosphärische Erzählstil in seinen Bann gezogen. Geistergeschichte, Liebesgeschichte, Thriller: dieser Roman ist alles davon, aber keines auf die banale Art. Das Genre ist schwer zu bestimmen. Das macht aber auch den besonderen Reiz aus. Es bleibt von Seite zu Seite mysteriös und die Handlung wartet immer wieder mit Überraschungen auf. Der Roman legt verschiedene Spuren, aber wie die Tigerspuren sind sie flüchtig und geheimnisvoll. Die beiden Hauptprotagonisten sind mir sehr schnell ans Herz gewachsen. In den mehr als 500 Seiten entwickeln sie ein deutliches und vielschichtiges Profil, aber auch an den Nebenfiguren habe ich mich sehr erfreut. Die Schilderungen der Lebensumstände im britisch besetzten Malaya, heute Malaysia, sind sehr eindrücklich und für heutige Generationen Europäer geradezu absurd, aber auch ein bisschen beschämend, ohne das dies durch die Autorin forciert wird. So ist dieser Roman auch eine interessante Gesellschaftsstudie, die auch für Leserinnen interessant ist, die, wie ich, bisher nichts mit dieser Kultur „am Hut“ hatten, inklusive Crashkurs in chinesischer Zahlenmystik. Wie alle Bücher des Wunderraum-Verlages kommt auch dieser Band in einer grandiosen Optik und Haptik daher. Ein exotischer Schatz im Bücherregal in mehrerlei Hinsicht. Ein Tigertatzenabdruck zwischen all dem geliebten Papier.

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