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Rezension zu
Unter Wölfen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

"Unter Wölfen" von Alex Beer

Von: Fraggle
17.02.2020

Fazit; Man mag mir überholte Denkmuster vorwerfen, aber als ich mit der Lektüre von „Unter Wölfen“ der mir bislang völlig unbekannten Alex Beer begann, ging ich angesichts der Faktenkette „Name: Alex Beer – Genre: Krimi – Setting: NS-Zeit 1942 in Nürnberg“ irgendwie wie selbstverständlich davon aus: „Muss wohl ein Mann geschrieben haben.“ Aber so falsch kann man liegen, denn bei Alex Beer handelt es sich um das Pseudonym einer österreichischen Autorin, die als Alex Beer bereits eine bislang vier Teile umfassende Krimireihe geschrieben hat und jetzt mit „unter Wölfen“ den Auftakt für eine weitere Reihe vorgelegt hat. Und zwar einen ziemlich guten, selbst wenn es natürlich auch einiges zu kritisieren gibt. Aber beginnen wir mit dem Positiven, als da beispielsweise der Protagonist Isaak Rubinstein wäre. Isaak war ursprünglich Antiquar und mit Clara liiert, vor dem Hintergrund der sogenannten „Nürnberger Gesetze“ hat er sich nicht nur von ihr getrennt, um sie zu schützen, was sie ihm nie verziehen hat, sondern auch sein Antiquariat verloren, und lebt nun mit seinen Eltern, seiner Schwester und deren Kindern auf engstem Raum und in ständiger Angst vor Vertreibung. Und irgendwann flattert dann tatsächlich der Evakuierungsbescheid ins Haus. Um seine Familie zu retten, wendet sich Issak ausgerechnet an Clara, der Kontakte zum Widerstand nachgesagt werden. Clara hilft tatsächlich und stellt eine sichere Unterbringung für seine Familie so wie eine Ausreise mit falschen Papieren für ihn in Aussicht. Und so steht Isaak also am Bahnsteig, mit seinem auf einen gewissen Adolf Weissmann ausgestellten Papieren, und wundert sich, dass er plötzlich von einem SS-Mann angesprochen wird, der ihn am Bahnhof abholen und in die Gestapo-Zentrale begleiten will, denn Adolf Weissmann ist niemand anderer als einer der berühmtesten Kriminalisten Deutschlands, der in Nürnberg den Mord an einer berühmten Schauspielerin aufklären soll. Und während der echte Weissmann vom Widerstand aus dem Verkehr gezogen wurde, muss Isaak überzeugend seine Rolle verkörpern. Mit Isaak hat die Autorin einen grundsympathischen Charakter geschaffen. Er steht für seine Prinzipien ein – phasenweise fast schon so, dass es ein bisschen nervig wird -, ist fern jeder Egozentrik und eher in die Kategorie „leicht weltfremd“ einzuordnen. Aber zumindest macht er als Adolf Weissmann eine gute Figur. Und es hat manchmal schon fast etwas Tragikkomisches, wenn Isaak die Wissbegier des jungen, an seine Seite gestellten Adjutanten, der ja nun von der vermeintlichen Koryphäe der Kriminalermittlung möglichst viel lernen will, damit zu befriedigen versucht, dass er nichtssagende Zitate von Sherlock Holmes wiedergibt. Ein bisschen erinnerte mich das an Dieter Hallervorden, der sich als vermeintlicher Industrieller mit den Floskeln „Ich brauche mehr Details!“, „Schreiben Sie es auf, ich kümmere mich später darum.“ und „Das ist nur Ihre Meinung!“ durchlavierte. Dann denkt man wieder an das Setting, vor dem diese Scharade stattfindet, und das Leserlächeln erstirbt umgehend … Auch Isaaks Ex Clara überzeugt grundlegend. Lange Zeit ist man sich als Leser nicht wirklich darüber im Klaren, ob sie nun wirklich zu den „Guten“ gehört oder ob sie ein falsches Spiel treibt. Letztlich könnte man hinsichtlich der Charaktere höchstens die Nazi-Schergen kritisieren, die phasenweise schon recht unfähig rüberkommen und eher an „Ein Käfig voller Helden“ erinnern, als an die skrupellosen Mörder, die sie sind. Stilistisch bewegt sich das Buch auf, sagen wir mal, nicht überzogen hohem Niveau. Anfangs beschlich mich tatsächlich das Gefühl, es richte sich eher an jüngere Leser, was aber unwahrscheinlich erscheint. Zumindest lässt es sich so recht einfach lesen. Hinsichtlich der Handlung kann man durchaus kritisieren, dass es manchmal ein bisschen zu rund für Isaak läuft. Entweder, weil sich die Nazi-Schergen wieder einmal als unfähiger erweisen, als sich eigentlich sein dürften, oder aber, weil Isaak in sich Fähigkeiten entdeckt, mit denen er so wohl selbst nicht gerechnet hat, so beispielsweise als er, der schmächtige, ja fast schon ausgezehrte, ehemalige Archivar, einen Boxkampf gegen einen lokalen Champion gewinnt. Sinngemäß soll Stefan Raab mal gesagt haben: „Wenn Sie die Wahl haben zwischen Marathonlauf und drei Minuten Boxen: Gehen Sie laufen!“ und so erscheint Isaaks Sieg eben auch eher unwahrscheinlich … Der eigentliche Kriminalfall überzeugt dagegen vollkommen, gerät allerdings phasenweise leicht ins Hintertreffen. Zumindest ist er in sich logisch, macht es dem Leser aber meines Erachtens schwer, selbst mitzuraten. Die größte Stärke des Buches liegt meiner Meinng nach aber im mal mehr, mal weniger gut versteckten Subtext. So wird beispielsweise deutlich, wie sich die Wahrnehmung von Isaak und das Verhalten ihm gegenüber ändert, sobald er sich in seiner zwischen Gottfried Kellers „Kleider machen Leute“ und Carl Zuckmayers „Der Hauptmann von Köpenick“ liegenden Scharade in seiner Identität als Weissmann befindet. Die sinngemäße Behauptung eines der Gestapo-Schergen, man könne die Juden, wenn schon nicht vom bloßen Ansehen, dann deswegen erkennen, weil sie sich angesichts ihres Wesens früher oder später selbst verraten würden, wird so ad absurdum geführt und es wird klar: Nein, das kann man natürlich nicht. Und diese, eigentlich selbstverständliche, Erkenntnis, für die ich auch einfach „Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ hätte zitieren können, macht deutlich, dass „Unter Wölfen“ heutzutage auch wieder einen topaktuellen Bezug hat. Leider. Für Krimifans, Geschichtsinteressierte und Fans der Verwechslungs- bzw. Doppelgängerthematik dürfte „Unter Wölfen“ eine lohnenswerte Leseerfahrung sein.

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