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Rezension zu
Das Bücherhaus

Westwärts

Von: Michael Kuhl
29.03.2020

Wissenschaft ist Segen und Fluch gleichermaßen. Auf der einen Seite Druck, schlecht bezahlte Stellen. Auf der anderen Seite Freiheit und im besten Fall Wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält. So geht es dem jungen Postdocphilosophen und späteren Professor, den wir auf wilder Fahrt durch Massachusetts und New Hampshire begleiten. Sein erklärtes Ziel? Kein erkennbares. Der Weg ist sein Ziel. Oder anders gesprochen: Den Sinn des Lebens zu finden – vielleicht. Voltaire würde sagen, er möchte glücklich werden. Kant hingegen empfähle ihm den Mittelweg, das Optimum an Vernunft, Pflicht und Pragmatismus. Und seine innere Stimme? Sein innerer Kompass führt nach West Wind, dem alten Landsitz eines der bedeutendsten Philosophen seiner Alma Mater. Philosophie ist mehr als Elfenbeinturm und gelbe Reclamhefte. Weit mehr sogar und davon erzählt John Kaags philosophische Liebesgeschichte. ‚Das Bücherhaus‘ – gedrucktes Weltwissen in Farbe – erzählt Großes und Kleines, das sich auf zwei Handlungsstränge verdichten lässt. Die erste und private Erzählung handelt von John Kaag, dem Protagonisten, Autor, Ich-Erzähler und seinem Weg durch tausende alte Bücher. Von seiner Arbeit, seiner Gedankenwelt, seiner gescheiterten Ehe und letztlich dem Wendepunkt, was in und durch West Wind passiert. Dieser Teil ist bedauerlich karg, Mr. Kaag. Vieles bleibt blass und Charaktere konturlos. Hingegen ist der zweite Handlungsstrang in der Tat eine philosophische Liebesgeschichte. Kaag diskutiert im Dialog mit sich und der Welt eben diese. Diese eine Welt und die große Frage: Was ist Richtschnur für ein gutes und erfülltes Leben? Vielleicht „die Bedeutung der menschlichen Existenz in ihrer Freiheit. Viele der gefeiertsten Vertreter der Philosophiegeschichte haben diese erfrischende und stärkende Idee verkannt“ (S. 120). ‚Das Bücherhaus‘ ist das, was der Klappentext verspricht: 338 Seiten profunde Ideengeschichte Nordamerikas. Dabei lauschen wir dem argumentativen Wettstreit verschiedensten Denkrichtungen und ihrer Vertreter. Sind es die Grundlagen des Kontraktualismus – der modernen Vertragstheorie von Hobbes und Locke – oder dem Skeptizismus nach Descartes, der barocken Form von Fake News? Wir sind Hörende in Privatvorlesungen über Kant, den Utilitarismus und selbstverständlich Kaags viel geschätzten amerikanischen Pragmatikern. Mein Fazit also: Ein Buch für Amerika-Freunde und Philosophiestudentinnen, für Wandersleute und Romantiker. Ein Buch mit deutlichen Längen, aber erstaunlich verdichteter Ideengeschichte. Ideengeschichte, die lohnt gelesen zu werden. Nicht nur in Zeiten wie diesen. Im Zweifel für die Freiheit!

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