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Rezension zu
Die goldenen Jahre des Franz Tausend

mehr als "nur" Historienroman

Von: der Michi
14.04.2020

Thomas Mann, Carl von Ossietzky und ein Gesellschaftsporträt der "Goldenen Zwanziger": Das klingt zunächst nach verkopftem Intellektuellenroman für die gehobene Feuilleton-Leserschaft, während der Klappentext wiederum einen Neuzeit-Historienroman im Fahrwasser von Ken Follett und Jan Guillou verheißt. Zum Glück stimmt beides nicht. Während der krimiartige Handlungsstrang um Heinrich Ahrndt und seine politischen Ermittlungen für die Zugänglichkeit des Buchs sorgt, liefert Müller in den Szenen mit den beiden Schriftstellern eine Liebeserklärung an die deutsche Literatur ab, für die es kurz vor dem Dritten Reich um alles ging. Eine Zeit in der nichts unpolitisch sein konnte, sein durfte. Jedes Verhalten wird als Unterstützung von wahlweise Kommunismus oder Nationalismus gewertet, also bemüht sich jeder, im Zweifelsfall möglichst auf der richtigen Seite zu stehen. Eine spannende Ausgangssituation, die vor allem der titelgebende Franz Tausend für die unverschämtesten Betrügereien ausnutzt. Kaum zu glauben, dass ein windiger Geselle mit ausgerechnet diesem Namen existiert haben soll, aber der Anhang des Romans und die eigene Recherche bestätigen: ja, so war es! Das Goldmachen war nur der Gipfel, daneben betrog Tausend mit gefälschten Schecks, umlackierten Geigen und anderen chemischen Unmöglichkeiten. Dass gerade die Nazis und diverse wohlhabende Bürger aus ihrem Umfeld ihn zum Goldesel machen wollten, liefert einen wiederum wahren aber fast schon lachhaften Gegenentwurf zu den Gewaltmaßnahmen der Machtergreifung, die in den letzten Kapiteln Thema ist. So spannt Titus Müller den Bogen von den frühen Zwanzigern bis zur Nobelpreis-Kampagne für von Ossietzky und deren überraschendem Ergebnis. Vereinzelt hätte man sich noch eine Vertiefung mancher Figuren gewünscht, gerade Franz Tausend verschwindet nach einiger Zeit bis kurz vor dem Ende aus der Handlung, was dem Roman insgesamt aber nur wenig schadet. Mit seinem für dieses Genre relativ knappen Umfang ist er trotzdem dicht vollgepackt mit spannender Handlung, historischen Ereignissen und exzellent recherchierten biografischen Notizen zu Thomas Mann und Carl von Ossietzky. Gerade das Porträt des ewigen Selbstzweiflers Thomas Mann, der es noch zu Lebzeiten zu Ruhm und Preisen brachte und sich zuweilen als Hochstapler sah, dürfte viele Erfahrungen anderer Autoren widerspiegeln, die sich schon im "ernsthaften" Literaturbetrieb ausprobiert haben. Während Mann heute als literarisches Nationalheiligtum gilt, stand er selbst einst im Schatten des "heimlichen Kaisers" Gerhart Hauptmann. Gerade der Bezug zur großen Literatur ist hier ähnlich großartig herausgearbeitet wie in Uwe Tellkamps wuchtigem Ost-Epos "Der Turm", nur ist "Die goldenen Jahre des Franz Tausend" deutlich angenehmer zu lesen. Insgesamt eine hochinteressante Mischung verschiedenster Aspekte und ein damit einzigartiger Blick auf eine brodelnde Epoche, der sich von vielen gewöhnlicheren Werken abhebt. Bonusmaterial: Anhang mit historischem Hintergrund und Literaturverzeichnis

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