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Rezension zu
Quichotte

Ein klassischer Held in Trump-Land

Von: Stephan Kottkamp & Christian Funke
07.05.2020

Ein klassischer Held in Trump-Land Salman Rushdie lässt „Quichote“ seine Obsession jagen Er gibt sich den Namen Quichote. Er ist ein Reisender. Er ist ein Besessener. Er kann nicht unterscheiden zwischen der Realität und der Wirklichkeit des Fernsehens. Doch was bedeutet schon Realität? Ist die Wirklichkeit des Fernsehens nicht längst Teil der Realität geworden? Salman Rushdie adaptiert den klassischen Don Quichote und nimmt uns zusammen mit seinem Protagonisten Ismael Smile auf eine Reise durch das Amerika des Jahres 2019. Er wirft dabei existenzielle Fragen auf, mit denen aufmerksame Zeitgenossen tagtäglich konfrontiert werden. Er treibt das Spiel mit der Realität und Fiktion auf die Spitze und verlangt dem Leser dadurch einiges ab. Im Mittelpunkt des neuen Romans von Salman Rushdie steht ein indisch-stämmiger einsamer Handelsreisender aus der Pharmaindustrie, der sich auf eine Reise quer durch Amerika begibt, um sich seiner Angebeteten als würdig zu erweisen und ihr Herz zu erobern. Bei der Angebeteten handelt es sich jedoch um eine sehr populäre Talkshow-Moderatorin mit indisch-amerikanischen Wurzeln, die Ismael freilich überhaupt nicht kennt. Nichtsdestotrotz ist er davon überzeugt, dass er sie schon bald in seine Arme schließen kann. Der eingebildete Sohn auf dem Beifahrersitz Auf seiner Reise wird Ismael von seinem Sohn Sancho begleitet, der in der herkömmlichen Realität aber gar nicht existiert. Vielmehr stellt Sancho die Projektion des Sohnes dar, den Ismael gerne gehabt hätte, doch nie hatte. En passent geht es hierbei auch um eine Vater-Sohn-Beziehung sowie um den großen Streit mit seiner Schwester, der nun schon seit Jahren schwelt. Ganz nebenbei behandelt Rushdie zudem die großen Themen unserer Zeit, die nicht nur in Amerika diskutiert werden: Fake News, Rassismus, Cyberkriminalität und gar das Ende der Welt. Wenn es um das Verschwimmen von Realität und Fiktion geht, geht es immer auch um das Amerika unter Donald Trump. Was ist real, was ist Fiktion, welche Fakten sind die realen? Ismaels Gedankenwelt auf diesem Roadtrip ist verworren, surreal und eine permanente Herausforderung für den Leser. Mitunter erzeugen seine Wahrheiten Wut beim Leser, lassen einen aber niemals kalt. Ein Fest der Phantasie auf verschiedenen Ebenen Salman Rushdie glänzt in diesem Prosawerk erneut als der große Erzähler, der er seit Jahrzehnten ist. Er beobachtet genau und beschreibt präzise. Sein Roman ist ein Fest der Phantasie, das einen immer wieder dazu einlädt, weiterzulesen und neue Facetten dieser außergewöhnlichen Geschichte zu entdecken. Er begibt sich als Autor auf eine Metaebene, die es ihm ermöglicht, sich selbst und sein Buch zu beobachten und zu beschreiben. Er rechnet bitterböse mit dem aktuellen Amerika ab, das sich als fernsehsüchtig und stumpfsinnig erweist. Sein Blick ist beinahe verächtlich, sein Urteil vernichtend, seine Vorhersage finster. Vielleicht ist es der perfekte Zeitpunkt, um einen solchen Roman zu schreiben. Es ist eine Parodie, eine Persiflage und ein Spiegelbild der amerikanischen Gesellschaft im Jahr drei der Präsidentschaft Trumps. Im vergangenen Jahr gelangte Rushdie mit seinem Roman zum bereits fünften Mal auf die Shortlist des britischen Booker Preises. Wer den Roman gelesen hat, wird dies befürworten.

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