Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Das Tor

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Top aktuell und doch zeitlos

Von: Madame Klappentext
11.05.2020

Inhalt: In einem Land im Nahen Osten wird das Leben der Bevölkerung seit geraumer Zeit vom Tor bestimmt. Für fast alle Dinge des täglichen Lebens braucht man eine Genehmigung vom Tor, nur niemand weiß wie lange es dauert, bis man sein gewünschtes Dokument in Händen hält. Die Warteschlange vorm Tor wird länger und länger und niemand weiß, wann das Tor wieder seine Pforte öffnet. Wie verändert sich eine Gesellschaft, deren Leben von Genehmigungen und Dekreten abhängt? Leseeindruck: Schon allein die Kombination einer Dystopie mit dem Schauplatz des arabischen Raums, hat mich angesprochen. Geht es doch um Meinungsfreiheit in einem autoritären System. Wieviel Systemkritik steckt wohl in solch einem Roman? Sehr viel. Alle versuchen sich mit den neuen Regeln zu arrangieren, obwohl dies immer schwieriger wird, da ständig neue Bestimmungen hinzu kommen. Auch als Leser versteht man erst nach und nach das Ausmaß der Gesetze, obwohl man schnell die Willkür dahinter erkennt. Stück für Stück lernt man die Protagonisten kennen und merkt welch unterschiedliche Charaktere in der Warteschlange aufeinandertreffen und was sie verbindet: Niemand ist gerne Teil der Warteschlange, aber alle wissen, dass es ohne nicht geht. Man trifft auf einen Verfechter des Regims, auf religiöse Fundamentalisten, auf eine Lehrerin, die einfach ehrlich war, eine Mutter, die um die Gesundheit ihrer Kinder kämpft und einen jungen Mann, der eine Genehmigung für eine lebensrettende Operation braucht. Yahya ist sozusagen der Mittelpunkt des Geschehens, alle Figuren lernt man mehr oder weniger durch sein Schicksal kennen. Gerade an seiner Figur wird die Absurdität des Tores und dessen Macht immer deutlicher. Schritt für Schritt entfaltet sich das autoritäre System. Eine Verordnung wird durch die nächste ersetzt, ohne das man dafür nachvollziehbare Gründe erkennen kann. Obwohl das Regime hinter dem Tor immer willkürlicher handelt, steigt auch die Normalität. Das Warten in der Schlage gehört nun für viele einfach zum Alltag. Es hat mich wirklich erschreckt, wie schnell ein totalitäres Regime zur Gewohnheit werden kann. Der Erzählstil ist sehr nüchtern und distanziert, außerdem strotzt er nur so vor Verallgemeinerungen. Man erfährt nur von „den schändlichen Ereignissen“ ohne genau zu wissen, worum es sich handelt, außer, dass das Tor alle Informationen darüber kontrollieren will. Es wird von „dem Scheich“, „dem Direktor“ oder auch von „der Frau“ gesprochen. Viele Protagonisten bekommen kein eigenes Gesicht. Damit schützt sich die Autorin sicher davor angegriffen zu werden, da sie so wenige Dinge genau benennt. Ich brauchte allerdings einige Seiten, um mich an diesen eigenwilligen Stil zu gewöhnen. Lieblingsnebencharakter: Die Charaktere könnten unterschiedlicher nicht sein und doch hatte ich bei keinem ein klares Bild vor Augen, da man recht wenig individuelles über die einzelnen Figuren erfährt. Am meisten berührt hat mich das Schicksal von Umm Mabrouk und ihren Kindern. Sie kämpft auf ihre ganz eigene Weise, indem sie einen neuen Alltag im Umfeld der Warteschlange kreiert. Außerdem gehört sie zu den wenigen, bei denen sich in meiner Fantasie ein Bild von ihr gebildet hat. Fazit: Eine erschreckend zeitlose und gleichzeitig aktuelle Dystopie über das Leben in einem Überwachungsstaat. Der nüchterne Stil und verschachtelte Aufbau sind zwar anstrengend, aber trotzdem ist das Buch sehr lesenswert. Wer sich darauf einlässt, wird ganz besondere Lesestunden haben.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.