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Rezension zu
Todesstrom

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein solider Reihenauftakt mit einigen kleinen Schwächen

Von: Büchermonster
21.05.2020

Cormac Reilly hat als Polizist eine fast schon makellose Karriere hingelegt: aufgewachsen in der irischen Hafenstadt Galway hat er sich im Verlauf von rund zwei Jahrzehnten vom unerfahrenen Frischling zum angesehenen Detective Inspector hochgearbeitet und es in Dublin sogar in den elitären Kreis einer Anti-Terror-Einheit geschafft. Auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Laufbahn tritt Reilly dann aber aus eigenem Antrieb auf die Bremse und zieht aus Liebe zu seiner Lebensgefährtin Emma, die als Biologin eine äußerst renommierte Stellung an der Universität von Galway angeboten bekommen hat, zurück in seine Heimat, um selbst eine Position bei der örtlichen Polizeistation anzunehmen. Dort soll der Elite-Polizist seine Qualifikation und Erfahrung gewinnbringend einsetzen und dazu beitragen, die Dienststelle weiterzuentwickeln, doch die Realität sieht für Reilly nach seiner Rückkehr eher trist aus: statt an aktuellen Fällen mitzuarbeiten soll sich der Detective Inspector erst einmal langsam mit alten, ungelösten und oft hoffnungslosen Fällen einarbeiten und wird als Ermittler aus der Hauptstadt zudem von seinen neuen Kollegen kritisch beäugt. Von Dublins Spezialeinheit zurück zur Kleinstadt-Polizei Cormac Reilly scheint sich also ein Schicksal mit seinem literarischen Polizeikollegen Carl Mørck von Jussi Adler-Olsens Sonderdezernat Q zu teilen, der sich stets in seinem Kopenhagener Kellerarchiv durch verstaubte Fallakten kämpfen muss. Während der arbeitsscheue Mørck sein Exil aber oft nutzt, um unbeobachtet eine ruhige Kugel zu schieben, fühlt sich Reilly massiv unterfordert und es wachsen vermehrt Zweifel an seiner Entscheidung, seine Karriere für seine Beziehung zurückzustellen – zumal Emma in ihrem neuen Job voll aufgeht und bei den vielen Überstunden kaum noch Zeit für gemeinsame Stunden bleibt. Erst als der vermeintliche Suizid eines jungen Mannes immer mehr Fragen aufwirft, wird Reilly von seinem Vorgesetzten von der Leine gelassen und darf endlich ermitteln. Das aber auch hauptsächlich nur, weil er den Verstorbenen persönlich kannte, denn 20 Jahre zuvor hatte Reilly den damals fünfjährigen Jack gemeinsam mit dessen 15-jährigen Schwester Maude verwahrlost in einem heruntergekommenen Landhaus im Nirgendwo aufgefunden – neben der Leiche ihrer Mutter, die zuvor an einer Überdosis Heroin gestorben war… Sympathischer Ermittler mit Entwicklungspotenzial In ihrem Debütroman „Todesstrom“ führt die studierte irische Anwältin Dervla McTiernan einen zumindest auf den ersten Blick recht angenehmen neuen Ermittler ein: Cormac Reilly hat – im Gegensatz zu vielen seiner Genre-Kollegen – keine großen Laster, keine familiäre Tragödie im Lebenslauf, auch als erfahrener Elite-Polizist aus der Großstadt keine Allüren und steckt sogar zugunsten seiner Lebensgefährtin die eigenen Interessen zurück, obwohl es für ihn selbst einen großen beruflichen Rückschritt bedeutet. Dadurch erscheint Reilly gleich sympathisch und auch sein sensibler Umgang mit Kollegen und Zeugen sorgt für einen positiven ersten Eindruck. Allerdings wirkt der irische Ermittler in seinem ersten Auftritt manchmal auch ein wenig glatt – nicht wirklich langweilig, aber ein bisschen mehr Persönlichkeit würde dem Detective Inspector gut zu Gesicht stehen. Es ist zwar an vielen Stellen durch immer wieder kleine Andeutungen spürbar, dass die Autorin in ihrem ersten Buch noch nicht zu viel über ihren Protagonisten erzählen will, etwas mehr Profil wäre aber dennoch schön gewesen – auch weil Reilly seine angepriesenen Ermittlerfähigkeiten als ehemaliges Mitglied einer Anti-Terror-Einheit noch nicht wirklich unter Beweis stellen kann, denn dafür wirken viele Entwicklungen des Falls häufig ein bisschen zufällig und sind nicht immer unbedingt auf die Anstrengungen der Hauptfigur zurückzuführen. Zu viel unnötiges Drumherum ohne echten Mehrwert Überhaupt kann man „Todesstrom“ des Öfteren anmerken, dass es sich um ein Romandebüt handelt. Das zeigt sich besonders an den Nebenhandlungen, die für sich genommen alle etwas unausgegoren erscheinen. Während es bei der offenbar durchaus bewegten Vergangenheit von Cormac Reillys Lebensgefährtin Emma noch recht offensichtlich ist, dass diese Beziehung erst in späteren Bänden näher ausgearbeitet werden soll und die gelegentlichen Anspielungen eher als kleine Teaser fungieren, gilt diese Erklärung nicht unbedingt für die Nebenkriegsschauplätze auf der Polizeidienststelle Galways: hier eine etwas befremdlich wirkende Geschichte um einen Polizisten, dessen Schwester vermisst wird, dort Anzeichen für unlautere Verwicklungen mancher Ermittler in kriminelle Machenschaften. Gekrönt wird dies jedoch von den Ermittlungen in einer Reihe von Verbrechen, die sich in den USA abgespielt haben und deren Tatverdächtiger nun in Irland aufgetaucht ist: dieser Fall, der vom kriminellen Ausmaß fast schlimmer scheint als die Haupthandlung dieses Buches, läuft recht lieblos nebenher und wird völlig willkürlich immer wieder eingestreut, ohne dass dessen Mehrwert für die eigentliche Geschichte ersichtlich wird. Ein solider Reihenauftakt mit einigen kleinen Schwächen Das ist schade, denn die Kern-Ermittlung dieses Erstlings ist eigentlich sehr solide erzählt – kein spektakulärer Fall, der durch Mark und Bein geht, aber eine Story, die durchaus gut ausgearbeitet ist und ein ordentliches Spannungsniveau bietet. Auch die Entscheidung, die Geschichte aus zwei verschiedenen Perspektiven zu erzählen (zum einen die polizeiliche Ermittlung durch Cormac Reilly, zum anderen die privaten Nachforschungen der Freundin des vermeintlichen Suizid-Opfers) erweist sich als guter Kniff, der nochmal etwas mehr Abwechslung in die Handlung bringt und vor allem auch die menschliche Ebene in diesem Fall verdeutlicht. Es ist mehr das Drumherum, was hier störend auffällt oder zumindest einen schalen Beigeschmack hinterlässt und alles in allem den Eindruck erweckt, dass weniger letztlich mehr gewesen wäre – weniger Störgeräusche rund um die zentrale Ermittlung, stattdessen vielleicht noch etwas mehr Lokalkolorit, denn das kulturell und landschaftlich spannende Galway (sicherlich nicht ohne Grund Europas Kulturhauptstadt 2020) dürfte noch weitaus mehr zu bieten haben, als Dervla McTiernan hier ihren Leser*innen zeigt. Trotz aller Kritik ist „Todesstrom“ insgesamt jedoch ein guter Kriminalroman mit einem sympathischen Protagonisten, der Auftakt dieser neuen Reihe lässt für die Folgebände in mehreren Bereichen aber noch Luft nach oben.

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