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Rezension zu
Friday Black

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ermordet wegen der Hautfarbe. Die erschreckend zeitgenössische Dystopie „Friday Black“

Von: Sören
03.06.2020

Friday Black von Nana Kwame Adjei-Brenyah ist ein kraftvoller, doch nicht perfekt balancierter Kurzgeschichtenband. Kaum einer der Text ist von vorne bis hinten gänzlich überzeugend, doch einige sind so stark angelegt, dass man darüber leicht hinwegsehen mag. Die längere Auftakt-Erzählung „Die Finkelstein Five“ etwa ist durchweg im besten Sinne brutal. Ein Freispruch aufgrund von „Selbstverteidigung“ gegen eine Gruppe schwarzer Kinder, die bei dieser „Selbstverteidigung“ auf brutale Weise zerstückelt werden, bildet den Hintergrund, Szenen aus dem Gericht sind immer wieder in den Text einmontiert. Junge schwarze New Yorker beginnen etwas, dass sie „naming“ nennen: Gewalttaten gegen willkürlich ausgewählte Weiße, die bis zum Mord gehen können. Dabei werden die Namen der zerstückelten Opfer gerufen und die Täter ritzen sich Zahlen in den Arm. Der Protagonist der Geschichte, dessen Gedanken die meiste Zeit darum kreisen, wie er seine „Schwarzheit“ auf ein Level reduzieren kann, mit dem es beispielsweise beim Vorstellungsgespräch klappt, wird durch einen alten Freund in diese Praktik hineingezogen, das Ganze treibt auf eine erschütternde Klimax zu. Ein durchweg spannender Text, an dem mich die Übersetzung „Schwarzheit“ für blackness etwas störte, das Wort wirkt trotz 1:1 Übersetzung irgendwie sperriger als das Original. Doch fällt mir auch keine bessere ein. Ebenfalls sehr überzeugend ist die Geschichte „Die alte Zeit“, in der ein junger Protagonist, wie anscheinend der Großteil der zeitgenössischen Bevölkerung, von einer Substanz namens „Glück“ abhängig ist, die nur dosiert herausgegeben wird. Menschen werden noch schärfer als in unserer Gesellschaft auf ihre Funktionen hin selektiert, doch es gibt Abweichler, die versuchen zu leben wie in der „guten alten“ (unserer) Zeit. Aber das scheint auch nicht der adäquate Umgang mit dieser Gesellschaftsform zu sein. In die meisten Erzählungen des Bandes Friday Black dringen dystopische und phantastische Momente hinein, wobei offener Rassismus und alltagsrassistische Verhaltensweisen eine besondere Rolle spielen. Dabei scheinen die Geschichten nicht alle in der gleichen Nah-Zukunft zu spielen, sondern jede in ihrer eigenen, manche mag man aber auch im Hier und Jetzt ansiedeln wollen. Das Dystopische ist vor allem folgerichtige Überzeichnung jetziger Missstände. Überhaupt sind die Unterschiede meist nicht groß, man kann sie genauso gut als rein metaphorische Überspitzung und Auswüchse der Psychen der Protagonisten ansehen, mit Ausnahme vielleicht von „Die alte Zeit“. Das funktioniert nicht immer gut. In „Das Krankenhaus wo…“ etwa verschreibt ein junger Mann sich dem „zwölfzüngigen Gott“, um Schriftsteller zu werden und richtet zum Ende hin, als die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen, großes Chaos an. Das wirkte in einem sonst interessanten Text eher aufgesetzt. Und die Titelgeschichte „Friday Black“ ist ein überdrehtes Blackfriday-Gemetzel, das an die bekannte Southpark-Dreifachfolge erinnert, nur ohne deren Witz. Aber im Großen und Ganzen handelt es sich um einen Band mit Erzählungen, die wirklich einmal mit frischen Ideen und vor allem dem Drang dazu daher kommen, diese auch in überzeugend konsistenter Weise auszuarbeiten und nicht bei Effekten zu verharren. Man sollte auf jeden Fall im Auge behalten, was von Nana Kwame Adjei-Brenyah in Zukunft noch erscheint. Hier könnte ein Autor heranwachsen, der sich nicht in Spielereien für die Akademie verliert, und der trotzdem ernsthaft daran arbeitet, gesellschaftliche Verwerfungen ästhetisch zu greifen. Einer, der tatsächlich Literatur schaffen will und nicht irgendetwas im langweiligen Niemandsland zwischen Zeitvertreib für die Massen und Kreuzworträtsel für die gebildeten Klassen.

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