Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Hitler

Der überforschte Diktator anders aufgezäumt

Von: Benjamin Neumaier
07.05.2015

Am 8. Mai jährt sich das Ende offizielle des Zweiten Weltkriegs das 70. Mal. Das ist aber nicht der Grund, warum Wolfram Pyta, Professor für Neuere Geschichte und der Leiter der Abteilung für Neuere Geschichte am Historischen Institut der Universität Stuttgart, seine Monographie über Adolf Hitler publiziert. Vielmehr will er in der "überforschten Person Hitler" eine weitere Facette aufzeigen, "Schneisen durch das Dickicht der Forschung schlagen", wie er selbst im Vorwort sagt. Pyta nutzt für seine Herrschaftsanalyse den Blickwinkel auf die "radikale Anwendung ästhetischer Prinzipien, die Ästhetisierung der Politik" durch den Diktator und die NSDAP. "Der Künstler als Politiker und Feldherr" wirft einen frischen, unverbrauchten Blick auf die Herrschaft Hitlers und zeigt dabei den Aufstieg des "brotlosen Künstlers" zum allmächtigen Diktator. Pyta zeigt anhand verschiedener Facetten, wie Hitler seine Massengefolgschaft fand. Dem verhinderten Theaterarchitekten und Wagnerianer aus Braunau half dabei vor allem die konsequente Inszenierung seiner politischen Auftritte. Essentiell war dabei Hitler als Redner, was Pyta im Kapitel "Am Anfang war das Wort: der Redekünstler" schildert. Er streift dabei Hitlers komplette politische Vita: Von dessen Anfängen als Redner in kleinen Sälen und Wirtschaften, in denen Hitler instinktiv die Gesetze der Rethorik beherzigte und mit wenig Gestik seine Stimme als Alleinstellungsmerkmal nutzte, über seine Kriegsreden, de sich meist gegen Winston Churchill richteten, bis hin zu Hitlers Reden über den Volksempfänger, bei denen laut Pyta, "der Funke nicht mehr überspringt". Hitlers Reden seien nicht als reiner Text zu betrachten, wichtig sei nicht unbedingt was er sagte, sondern wie er es sagte, schreibt Pyta. Durch Hitlers zahlreiche Reden, gerade im Wahlkampf lief der Diktator laut Pyta Gefahr, "seine Stimme durch die häufigen Auftritte so zu ramponieren, dass ihre Wirkung am Ende eines Redemarathons durch Heiserkeit und Rauheit erheblich eingeschränkt war". Deshalb holte sich Hitler Hilfe, engagierte Sprecherzieher - mit mehr oder weniger Erfolg. Letztlich verlor Hitler, auch durch die gegen Kriegsende immer mehr fehlende öffentliche Präsenz und militärischen Misserfolge auch seine Anziehungskraft als Redner. "Hitlers Reden verlieren an Mobilisierungskraft", schreibt Pyta, Hitler habe sich "mit der Rolle des Vorlesers im Radio" abgefunden. Als ein weiteres Standbein von Hitlers Politik sieht Pyta das "Genie als Charisma-Ergänzung", dem er ein Kapitel widmet, aber auch zum Ende der Monographie auf den "Genieverfall" eingeht. Der Diktator als überhöhte Person, als Genie, wird vor allem durch militärische Erfolge gespeist. Der Geniekult, der auch auf die Architektur und öffentlichen Inszenierungen Einfluss nimmt, verleiht Hitler die nötige Legitimation für seine totalitäre Herrschaft. Denn anders als der Redner Hitler muss das Genie nicht ständig auf- oder vor Augen geführt werden. "Hitler rückte damit in eine Traditionsreihe ein, die durch Bismarck geprägt wurde. Bismarck verkörperte das staatsmännische Genie par excellence. [...] Hitler erwarb sich dieses Prädikat auch bei Menschen, die anfänglich seiner Bewegung skeptisch gegenüberstanden." Doch der Geniekult weicht auf, je näher die Front an Deutschland rückt. Das Stauffenberg-Attentat am 20. Juli 1944 belebt den Kult, die "mirakulöse Erretung des Führers" wird ausgeschlachtet. "So blieb selbst ein Hitler, der kommunikative Abstinenz praktizierte und eine Kette militärischer Niederlagen zu verantworten hatte, bis in seine letzten Monate ein Herrscher, der auf umfassende Gefolgschaftstreue bauen konnte", schreibt Pyta. Pytas Monographie ist eine wissenschaftliche Abhandlung, will kein Besteller sein. Pyta führt vor Augen, dass der Diktator und militärische Führer Hitler ohne sein für sich reklamiertes Künstlertum nicht zu verstehen sind. Wie schreibt etwa Rainer Volk beim SWR: "Auch wenn die Ausführung Längen hat: Wolfram Pyta überträgt seinen "Überbau" konsequent auf die Untersuchungsfelder Politik und Militär: Der Möchte-Gern-Architekt, der sich zum "größten Festungsbauer aller Zeiten" aufschwingt, der Feldherr, der am Kartentisch sein Gefühl für Raum und Landschaft der Kriegführung überstülpt, Millionenheere bis zum Untergang kommandiert, weil sein Tatgenie Generalstabs-Wissen übertrumpft all das ist intellektuell anregend, wird in der Fachwelt vermutlich heftig analysiert werden und könnte die ewige "Wie-konnte-das-passieren"-Debatte wirklich beleben." Lesen Sie mehr in meinem Blog: http://www.live.mittelbayerische.de/Event/bennis_wuehlkiste

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.