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Rezension zu
Die Schauspielerin

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Wortkunst und Kirschblüten

Von: Thomas Lawall
10.08.2020

So, wie man es sich vorstellt, ist es auch. Das Leben und Feiern mit und bei großen Filmstars. Jedenfalls so, wie es Anne Enright in ihrem siebten Buch beschreibt. Wenn sich Ex-Diva Katherine O'Dell die Ehre gibt, ist am Dartmouth Square stets ein ständiges Kommen und Gehen angesagt. Obwohl an diesen Abenden niemand einfach so geht. "Man verabschiedete sich nicht, man schmolz dahin." Und genau so ergeht es dem Rezensenten, jenem Wurm, der sich jetzt wiederholt mit einem Werk Anne Enrights auseinandersetzen will. Auch jetzt wird es ihm nicht gelingen, weshalb es bei einem erneuten lächerlichen Versuch bleiben wird. Wie sollte man auch in der Lage sein zu erklären, weshalb ein Mutter-Tochter-Drama so überaus spannend und gehaltvoll sein kann? Ist dieser unter erbarmungslosem Flutlicht beleuchtete Familienkram nicht ebenso langweilig wie belanglos? Und dann auch auf dem unsicheren Terrain der Legenden, die sich um den Alltag prominenter Zeitgenossen ranken? Mitnichten. Es ist, wie immer, die Art und Weise, wie die irische Schriftstellerin dieses Leben neben der Bühne erzählt. Nicht so banal, wie der Klappentext suggeriert, denn "frappierend ehrlich und augenzwinkernd" könnte sich auch auf das eine oder andere Heftchen einer Bahnhofslektüre beziehen. Das ganze Ausmaß ihrer Kunst offenbart sich in völlig anderen Dimensionen. Nach Hilfe und Worten suchend bleibt einem nichts anderes übrig, als nach Originalzitaten zu greifen, statt sich in indirektuellen Lobeshymnen zu verlieren. Filmproduzent Boyd O'Neill, dem Katherine später mittels einer Waffe aus der Requisite ein besonders Andenken hinterlässt, steht mit erhobenem Kopf vor einer mit blauem Damast tapezierten Wohnzimmerwand: "In dieser Pose sah er aus wie ein jahrhundertealtes Gemälde, im Gesicht die Gleichgültigkeit mächtiger, ermüdeter Männer." Und so macht sie uns mit Personen bekannt, indem sie deren Charaktere aus zahllosen Bildern zusammensetzt, um sie damit, mit elegant weit ausholender Geste, regelrecht "vorzuführen". Ihre Möglichkeiten multipliziert sie in der Darstellung der Beziehung von Mutter und Tochter, in der Ambivalenz von Erbarmungslosigkeit und Pracht, gleich mehrfach und ebenso ausführlich. Das führt bis zu den Großeltern zurück, jenen umherziehenden Theaterleuten, und dramatisiert sich in Kindheit und Jugend ihrer Mutter. Trotz aller Wortkunst kann es aber mitunter etwas spröde werden, wenn man sich im wiedergekäuten Kaleidoskop komplizierter Befindlichkeiten der Protagonisten manchmal nicht mehr auskennt. Das kann Sexualität zum Abgewöhnen sein, die der unbekannten Ehefrau ihres Vaters unterstellte schlechte Behandlung eines Hundes und ähnliche Nebensächlichkeiten, oder eine gar seltsame Metaphorik: "Der Klang seiner Stimme war wie eine Weißdornhecke am Wegesrand..." Die Auseinandersetzung mit dem Scheinleben der Mutter, die nur auf der Bühne und vor der Kamera brillierte, der vergeblichen Suche nach dem Vater und das mühsame Aufbauen der eigenen Existenz sind ein tiefsinniges und doch seltsam nüchternes Abenteuer. Wenn nur diese ewige Ambivalenz nicht wäre: "Die Tage sind hinreichend öde, nicht aber die Jahre, und die Jahrzehnte sind ein Wunder." Das Leben nach der Vorstellung. Wenn nach Filmaufnahmen das Licht ausgeht. Die Rückkehr in eine Normalität, die es vielleicht nie gegeben hat. Auch damals, zu Zeiten jener Wanderbühnen nicht. Was kann Norah mitnehmen? Ziemlich viel und wenn es nur jene Gabe ist, richtig zu blinzeln. So, wie ihre Mutter es ihr einst beibrachte: "Denk an Kirschblüten, die im Wind davonwehen."

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