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Rezension zu
Die Schauspielerin

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Fiktive Memoiren einer "Tochter von"

Von: Zauberberggast
28.08.2020

Norah erzählt die Geschichte ihrer Mutter, der berühmten irischen Schauspielerin Katherine O'Dell, die eigentlich Engländerin war. Es handelt sich um eine fiktive Schauspielerin, allerdings steht sie stellvertretend für viele europäische Filmdiven, die in den 50er und 60er Jahren zu internationalem Ruhm gelangten und es sogar bis nach Hollywood schafften. Man kann sich also sehr gut vorstellen, dass es den echten Töchtern berühmter Schauspielerinnen tatsächlich ähnlich ergangen ist. Wir tauchen in diesem Roman ein in das Künstler- und Schauspielermilieu der irischen und britischen Bohème der 1920er bis 1980er Jahre, denn bereits die Großeltern der Erzählerin waren Theaterschauspieler. Norah erzählt die Lebensgeschichte ihrer Mutter - und zunehmend auch ihre eigene - nicht chronologisch. Sie springt zwischen den Ereignissen vor und zurück und erzeugt damit den Eindruck authentischen Erinnerns. Erinnerungen sind Momentaufnahmen des Geistes und erfolgen selten in der richtigen Reihenfolge. Es ist also keine typische (fiktive) Biographie, sondern ein Memoir. Norah hadert nicht mit ihrer Vergangenheit. Ihr stoischer, fast abgeklärter Tonfall zeigt, dass sie mit sich und ihrem Leben im Reinen ist und auch mit ihrer Mutter. Sie kann sie jetzt von außen betrachten und über sie schreiben, denn Schreiben ist Norahs Beruf. In der Erzählung dann tut sich nicht nur ein tiefer Graben zwischen ihrem eigenen, zurückgenommenen Selbst und dem extrovertierten Charakter ihrer Mutter auf, sondern auch zwischen Schein und Sein des vermeintlich glamourösen Lebens als Schauspielerin. Obwohl die erzählten Dinge an sich sehr tragisch und dramatisch, manchmal auch absurd und komisch sind, bleibt zwischen Leser und Geschichte eine gewisse Distanz. Diese gefühlte Mauer hat bei mir dafür gesorgt, dass ich emotional nicht involviert war, das Erzählte eher als Zuschauer wahrgenommen habe. So wie es von Bertolt Brecht, der auch in diesem Zusammenhang im Roman genannt wird, im "Epischen Theater" vorgesehen ist. Die Distanz “zum Publikum” wird auch durch die verwendete Du-Anrede deutlich. Norah erzählt die Geschichte nicht etwa einem abstrakten Leser, sondern ihrem langjährigen Ehemann und Partner. Teil an dieser “Intimität” hat der natürliche, echte Leser somit allenfalls als Voyeur dieser Beziehung, bei der die Identität des männlichen Parts erst zum Schluss gelüftet wird. Ein erzählerischer Kniff. "Die Schauspielerin" ist daher für meine Begriffe eher ein intellektueller Roman, der den Kopf und weniger das Herz des Lesers anspricht. Aber solche Romane haben auch ihre Daseinsberechtigung. Nicht immer möchte man weinen und mitfiebern, manchmal möchte man nur zur Kenntnis nehmen und froh sein, dass man nicht in der Haut der beschriebenen Figuren steckt. Zur Sprache: Anne Enright ist eine virtuose Autorin, die nicht umsonst 2007 den renommierten Booker-Prize gewonnen hat. Ihre Ausdrücke sind glasklar, sie erzählt die ineinander verwobenen Lebensgeschichten von Mutter und Tochter lebhaft und ohne viel Aufhebens um ihre Sprachkunst zu machen. Was ich aber besonders hervorheben möchte, ist die hervorragende Übersetzung von Eva Bonné ins Deutsche. Das Buch wirkt überhaupt nicht übersetzt und das ist die große Leistung einer außergewöhnlich guten sprachlichen Übertragung.

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