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Rezension zu
Die Hafenschwester (2)

Zerstörte Träume, neue Hoffnung

Von: Edith N.
17.12.2020

Zugegeben: Im ersten Band war mehr Action. Das Leben hat eben auch ruhigere Phasen und die sind in einem historischen Roman immer besonders tückisch. Die Romanhelden freuen sich ihres Lebens und der Leser weiß genau, dass ihre Welt bald in Trümmern liegen wird. Hamburg 1913: Martha, 34, hat sich aus ärmlichsten Verhältnissen zur OP-Schwester emporgearbeitet. Ein Beruf, den sie leider nicht mehr ausüben darf, seit sie mit dem Ingenieur Paul Studt verheiratet ist. Nur ledige Frauen und Witwen dürfen einer bezahlten Tätigkeit als Krankenschwester nachgehen. Die überzeugte Sozialdemokratin will aber nicht nur um ihren Mann und die drei Kinder herumwuseln, sie will helfen. Und so arbeitet sie ehrenamtlich als Hafenschwester. Damit tut sie etwas für die Allgemeinheit, aber ihre Fähigkeiten als OP-Schwester liegen brach. Das ist ungerecht, doch von heute auf morgen lassen sich die Gegebenheiten nicht ändern. Diese Erfahrung haben Martha und ihre politisch engagierten Freundinnen vom Frauenverein schon mehrfach machen müssen. Martha will sich nicht beklagen. Ihr Leben ist gut so, wie es ist. Ihr jüngerer Bruder Heinrich, zum Beispiel, ein Kapitän, hat von einer seiner Fahrten eine chinesische Ehefrau mitgebracht: Mi-Ling. Da gibt’s nicht nur aus sprachlichen Gründen Verständigungsprobleme. Kulturell scheinen Asiaten und Hanseaten nicht besonders kompatibel zu sein. Wenn Martha Studt schon einen beachtlichen Aufstieg vom armen Mädchen aus dem Gängeviertel zur geachteten Krankenschwester und Ingenieurs-Gattin hingelegt hat, dann ist ihrer Freundin aus Kindertagen, Milli, der ganz große Wurf geglückt: Sie hat es von der jugendlichen Zwangsprostituierten zur Ehefrau eines US-amerikanischen Politikers gebracht. Zur Hochzeit ihrer ältesten Tochter lädt Milli die Studts samt Kindern nach New York ein. Als sie in New York eintreffen, kommen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus: Die Welt, in die Milli eingeheiratet hat, ist an Wohlstand und Glamour kaum zu überbieten. Nie hätte Martha gedacht, dass sie das einmal zu sehen bekäme! So könnte das Leben bleiben! Tut es aber nicht. Als der Krieg ausbricht und Paul trotz seiner 41 Jahre eingezogen wird, muss Martha alleine für die Familie sorgen. Wie lange werden es sich die Krankenhäuser in Kriegszeiten leisten können, qualifizierte Krankenschwestern zu verschmähen, nur weil sie verheiratet sind? Dann kommt der Schock: Paul wurde an Front schwer verwundet: Er hat eine Gesichtsverletzung erlitten, die ihn so stark entstellt, dass er sich nicht mehr unter Menschen traut. Martha blutet das Herz, ihren geliebten Mann so zu sehen. Und Existenzängste plagen sie auch: Wenn er nie wieder in seinen Beruf zurückkehren kann, wird sie es dauerhaft schaffen, die Familie zu ernähren? Was, wenn sie nach dem Krieg als verheiratete Frau nicht mehr arbeiten darf? Als OP-Schwester weiß sie, dass es neue Operationsmethoden gibt, mit denen man entstellte Gesichter rekonstruieren kann. Doch die sind noch im Experimentierstadium. Wird es gelingen, Paul sein Gesicht wiederzugeben? Gegen Kriegsende geht’s ordentlich rund in der Geschichte. Davor ist die Handlung oft nicht besonders temporeich. Damit habe ich kein Problem: Ich schaue gern Romanfiguren aus anderen Epochen beim Leben zu und versuche mir vorzustellen, wie das damals war. Da man heute aber ein Schnellfeuer an dramatischen Ereignissen gewöhnt ist, hat nicht jeder*r mehr die Geduld sich einfach auf anderer Leute Lebensumstände einzulassen. Deswegen sag’ ich’s. Manchmal habe ich mich gefragt, ob die Studts nicht zu gut sind, um wahr zu sein. Irgendwie machen sie immer alles richtig. Zum Ausgleich gibt’s jedoch genügend fehlbare Nebenfiguren, mit denen man sich als Durchschnittsmensch identifizieren kann. Sie treffen auch mal zweifelhafte Entscheidungen und müssen dann mit den Konsequenzen leben. Und sollte man als Leser*in beim Thema „1. Weltkrieg“ nicht ganz sattelfest sein: Hier liest man eine außergewöhnliche Lebensgeschichte und lernt nebenbei noch allerhand dazu. Wenn historische Ereignisse am Beispiel konkreter Schicksale geschildert werden, ist das für mich immer greifbarer als reine Fakten und Erklärungen. Und es bleibt auch mehr hängen.

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