Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Das Nebelhaus

Ein unterhaltsamer Inselkrimi mit einigen Unstimmigkeiten

Von: Büchermonster
30.05.2015

Mit gerade mal knapp 1000 Einwohnern ist die kleine Ostseeinsel Hiddensee nun wahrlich kein Ort, an dem Verbrechen auf der Tagesordnung stehen – schon gar nicht ein blutiger Amoklauf, dem vier Menschen zum Opfer fallen. Dementsprechend ist die „Blutnacht von Hiddensee“ auch zwei Jahre nach den Morden immer noch in den Köpfen der Öffentlichkeit präsent – für die Journalistin Doro Kagel Anlass genug, zum unerfreulichen „Jubiläum“ der Tat die Geschehnisse dieser Nacht noch einmal gründlich aufzuarbeiten, denn der genaue Ablauf dieses schrecklichen Verbrechens ist immer noch ungeklärt. Die mutmaßliche Mörderin von drei Menschen versuchte sich damals selbst das Leben zu nehmen und liegt seitdem im Koma, sodass der Fall bisher nicht offiziell abgeschlossen werden konnte. Die Berliner Reporterin möchte in ihrem Artikel den Schwerpunkt nun vor allem aber auf die Opfer der Tat legen und nimmt zu diesem Zweck Kontakt mit Überlebenden und Angehörigen der Beteiligten auf, um die Wahrheit ans Tageslicht zu fördern. Autor Eric Berg erzählt seine Geschichte in „Das Nebelhaus“ dabei auf zwei verschiedenen Zeitebenen, die sich kapitelweise abwechseln. Handlungsstrang Nr. 1 schildert die Ermittlungen der Journalistin, der zweite hingegen protokolliert die Ereignisse der Tage vor der Blutnacht und sorgt für eine Begegnung mit allen Beteiligten der Tragödie. Freunde der Island-Krimis von Yrsa Sigurdardottir werden sich bei dieser Erzählweise schnell heimisch fühlen, denn nicht nur vom Stil sondern auch vom Setting erinnert „Das Nebelhaus“ ein wenig an ihren Grusel-Thriller „Geistesfjord“, allerdings setzt Berg den Schwerpunkt ein wenig anders und auf einen eher bodenständigen Krimiplot ohne unheimliche Schauereinlagen. Sein Konzept geht dabei durchaus auf: Durch die ständig wechselnden Perspektiven ist die Geschichte zum einen abwechslungsreich, zum anderen baut der Autor so sukzessiv Spannung auf, da sich aus den Zeitsprüngen immer wieder kleine Cliffhanger ergeben. Ein weiterer cleverer Kniff: Eric Berg lässt zumindest in Teilen bis zum Ende offen, welche Figuren letztlich der Blutnacht zum Opfer gefallen sind, was das Ermitteln der Täterschaft noch ein wenig anspruchs- und reizvoller macht. Und da die Charaktere alle grundverschieden sind und sich demnach auch eine Vielzahl von Mordkonstellationen und -motiven ergibt, bietet das Buch so wirklich viele Möglichkeiten zum Miträtseln. Allerdings sind diese Figuren leider auch ein wenig schablonenhaft geraten und wirken allesamt etwas überspitzt: Es gibt den spaßbefreiten Spießer, die gelangweilte Ehefrau, die unberechenbare Borderline-Kandidatin, den träumerischen Künstler, den verrückten Hippie – das hat ein bisschen was von einem unterhaltsamen Krimi-Gesellschaftsspiel, ist in dieser übertriebenen Zusammenstellung aber eher wenig realistisch. Zudem offenbaren sich im Verlauf der Geschichte leider immer wieder einige Ungereimtheiten, die das Lesevergnügen doch merklich trüben. Dies beginnt schon beim arg gezwungenen Anlass für das Wiedersehen der früheren Studienfreunde – denn eigentlich gibt es gar keinen – und setzt sich bei vielen nicht nachvollziehbaren Handlungen und Verhaltensweisen der Charaktere fort: Ob Angehörige von Mordopfern, die sensationsgierige Reporter nur allzu bereitwillig zu sich einladen; eine Mutter, die eine offenkundig gestörte Frau mit Waffe in einem Haus mit ihrer kleinen Tochter wohnen lässt; Freunde, die es offenbar nicht weiter besorgniserregend finden wenn eine von ihnen eine Pistole zum gemeinsamen Wiedersehen mitbringt – die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Ähnliches gilt für die Auflösung, die zwar überraschend und in Teilen sogar schockierend ist, aber zugleich auch sehr unglaubwürdig und willkürlich erscheint. Hier entsteht der Eindruck, als hätte der Autor für einen möglichst großen Überraschungseffekt einfach die unwahrscheinlichste aller Möglichkeiten gewählt, egal ob diese Erklärung nun stringent ist oder eben nicht – zudem hätte z.B. ein simpler Schmauchspuren-Test das Verbrechen von Anfang an ohne Probleme aufklären können. So ist „Das Nebelhaus“ zwar insgesamt ein spannender Kriminalroman mit einer durchaus verzwickten Story, der zudem erfreulich viel Raum zum Miträtseln bietet, allerdings muss man immer wieder über oben erwähnte Unstimmigkeiten oder Klischees wie die überzeichneten Charaktere, den obligatorischen Sturm zum Finale oder abreißende Mobilfunkverbindungen zum ungünstigsten Zeitpunkt hinwegsehen, um an dieser Geschichte uneingeschränkt Freude haben zu können – und das gelingt leider beim besten Willen nicht immer. Mit der auf dem Buchcover abgedruckten Zitat „Das ist richtig gut gemacht“ von WDR2-Literaturkritikerin Christine Westermann kann ich somit nicht ganz übereinstimmen, aber „Das Nebelhaus“ ist zumindest im Großen und Ganzen gut gemacht – zum ganz großen Wurf fehlt hier allerdings noch ein bisschen.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.