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Rezension zu
Intrige

Gelungene Mischung aus packendem Krimi und lehrreicher Geschichtsstunde

Von: Kim F
05.06.2015

Robert Harris widmet sich in „Intrige“ einem der größten politischen Skandale im Europa vor den Weltkriegen: der Dreyfus-Affäre. 1894 wird der französische Hauptmann Alfred Dreyfus wegen Spionage zugunsten der Deutschen zu lebenslanger Haft verurteilt und auf die Teufelsinsel im Atlantik verbannt. Der neue Geheimdienstchef Georges Picquart, der sich die dürftigen Beweismittel gegen Dreyfus nach und nach ansieht, zweifelt die Rechtmäßigkeit des Urteils immer stärker an und ermittelt gegen die Vorgaben seiner Vorgesetzten auf eigene Faust weiter. Als er dem wirklichen Spion auf die Schliche kommt, interessiert dies jedoch keinen seiner Vorgesetzten, alle weigern sich vehement, den Fall Dreyfus noch einmal aufzurollen, so dass sich Picquart mit seinen Nachforschungen in große Gefahr begibt… Ich habe bisher von Robert Harris nur seine Romane, die in der Antike spielen, gelesen, die mich jedes Mal mit ihrer überzeugenden Mischung aus gut recherchierten Schilderungen wahrer historischer Begebenheiten und packenden Krimielementen begeistert haben, so dass ich mir nun auch einmal einen seiner Romane aus der Moderne vornehmen wollte. „Intrige“ erwies sich dabei als sehr gute Wahl, denn seine Darstellung der Dreyfus-Affäre ist sehr gut gelungen. Sie setzt im Jahr 1894 ein, als Dreyfus soeben verurteilt wurde und Picquart kurz darauf zum neuen Leiter der Statistik-Abteilung (innerhalb des französischen Geheimdienstes) ernannt wird. Aus dessen Sicht wird der gesamte Roman erzählt, Dreyfus selbst kommt nur in Erinnerungen und am Ende kurz persönlich vor. Aufgeteilt ist das Buch in zwei Teile. Im ersten Teil ist Picquart als Chef der Statistik-Abteilung tätig, bis er schließlich zum Ende hin aufgrund seiner Nachforschungen nach Nordafrika abgeschoben wird. Der zweite Teil setzt dort ein und zeigt den Kampf um die Rehabilitation sowohl von Picquart als auch von Dreyfus auf, der sich über Jahre hinzieht und schließlich im Jahr 1906 endet, womit auch der Roman schließt. Insbesondere die Ereignisse der 1900er Jahre werden dabei wesentlich knapper als die des ersten Teils geschildert und immer wieder durch Zeitsprünge unterbrochen. Das Buch zeichnet sich, wie auch Harris’ Romane zur Antike, durch eine sehr gute Recherche der historischen Begebenheiten aus. Harris bleibt durchweg sehr nah an den tatsächlichen Geschehnissen damals dran, schmückt einiges natürlich etwas aus, dramatisiert einige Vorgänge, lässt anderes weg, dafür hat er aber auch einen Roman verfasst und kein Sachbuch. In einem kurzen Vorwort geht er selbst darauf ein, damit auch erst gar kein falscher Eindruck entsteht. Man sollte sich stets beim Lesen bewusst sein, dass man kein Sachbuch in den Händen hält, dafür aber einen extrem gut recherchierten und unterhaltsamen Roman. Viele reale Personen tauchen im Buch auf, wobei es glücklicherweise über ein Personenverzeichnis verfügt, da zumindest ich zu Anfang ständig mit den vielen französischen Namen durcheinander kam. Vorkenntnisse zur Dreyfus-Affäre können sicherlich nicht schaden, schmälern auch das Lesevergnügen keinesfalls, doch selbst ohne weitere Kenntnisse der damaligen Begebenheiten lässt sich der Handlung sicher gut folgen. Diese ist durchgehend sehr fesselnd erzählt, vor allem der erste Teil liest sich enorm spannend. Man kann das Buch stundenlang kaum aus der Hand legen und knobelt mit Picquart die gesamte Zeit über mit, wie dieser nach und nach die Fehler und Oberflächlichkeiten der Untersuchung gegen Dreyfus aufdeckt und den wahren Spion entlarvt. Neben der Ermittlung bereitet es auch sehr großes Vergnügen, Picquart selbst etwas näher zu kommen, den Harris zwar sympathisch, aber auch sehr differenziert zeichnet. Er macht ihn keineswegs zum Helden, der er sicherlich auch nicht war, sondern würdigt ihn für seine Verdienste im Fall Dreyfus, der ohne ihn vermutlich ganz anders ausgegangen wäre, betont aber gleichzeitig auch seine Treue gegenüber dem Militär, in dem er groß geworden ist und das ihn nun vor eine schwere Wahl stellt: Prinzipientreue gegen Gehorsam, Kampf für Gerechtigkeit gegen Pflichterfüllung. Der zweite Teil hatte schließlich für meinen Geschmack zu viele Zeitsprünge, mir wäre eine detailliertere Schilderung der Ereignisse in den 1900er Jahren lieber gewesen. Doch auch so ist Harris ein überaus überzeugendes Werk gelungen, das auch viele Lehren für gegenwärtige Entwicklungen bereit hält und zum Nachdenken anregt, etwa über Geheimdienste, die nicht mehr zu kontrollieren sind, über hetzerische Medien, die Diskussionen über gesellschaftliche Entwicklungen ins Unermessliche aufheizen, über das ständige Vorverurteilen insbesondere von Angehörigen einer Minderheit oder über Menschen in hohen Positionen, die ihre Fehler oder auch Verbrechen unentwegt zu vertuschen versuchen. Fazit Mein Ausflug in die Neuzeitromane von Robert Harris hat sich auf jeden Fall gelohnt und wird nicht mein letzter gewesen sein. Auch in „Intrige“ gelingt Harris eine überzeugende Mischung aus packendem Krimi und einer gut recherchierten Herausstellung historischer Ereignisse. Insbesondere die gegenwärtig hoch aktuellen Themen, die er in seinem Buch anspricht, machen dieses so lesenswert, dass ich es jedem wärmstens empfehlen kann, der spannend und unterhaltsam die Dreyfus-Affäre erleben möchte.

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