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Rezension zu
Königsschwur

Ein halber König?

Von: Michael Seiler
08.06.2015

Joe Abercrombie hat sich in der Fantastik bisher vor allem mit seiner "Klingentrilogie" und einer Handvoll Einzelromanen aus der selben Welt einen Namen gemacht. Nach insgesamt sechs mächtigen Wälzern kommt sein neues Buch, der Start einer neuen Trilogie, äußerlich regelrecht bescheiden daher. Immerhin schmückt sich der Band äußerlich neben dem üblichen Schwertmotiv mit begeisterten prominententen Leserstimmen von Patrick Rothfuss (Der Name des Windes) und George R. R. Martin (Das Lied von Eis und Feuer). Kann so ein Buch schlecht sein? Mal sehen. Die Handlung dreht sich um den Königssohn Yarvi, der eigentlich kein Anwärter auf den Thron ist, sondern eine Gelehrtenausbildung anstrebt. Als sein Vater und Bruder jedoch heimtückisch ermordet werden, muss er widerwillig den Schwarzen Thron von Gettland besteigen und mehr oder weniger selbst regieren. Sein missgebildete Hand und fehlendes Talent zum Kämpfen machen es ihm nicht leichter, als König akzeptiert zu werden. Wenig später wird Yarvi selbst von einem engen Vertrauten verraten und als Sklave verkauft. Doch auch in dieser scheinbar ausweglosen Situation gibt er nicht auf, sondern schmiedet einen Racheplan, der sich gewaschen hat. So weit, so spannend. Eigentlich eine Geschichte, die man gut und gerne über tausend Seiten auswalzen könnte, doch der Autor hat sich anders entschieden. Die Geschichte spielt sich auf in diesem Genre relativ bescheidenen dreihundertdreiundsechzig Seiten ab, wodurch nie Langeweile aufkommt. Abercrombie spart sich einen wortreichen Prolog, sondern katapultiert den Lesern nach wenigen einführenden Absätzen direkt in die Handlung. Das ist erfreulich, birgt im Allgemeinen aber oft auch die Gefahr von dramaturgischer Hektik. Glücklicherweise hat man kaum Zeit allzu viel darüber nachzudenken, denn die dicht verwobene Geschichte prescht ohne zu viele Schnörkel mutig voran. Auf weitere Handlungsstränge muss man sich nicht konzentrieren, der Fokus bleibt permanent beim Hauptcharakter, was einen überaus angenehmen Lesefluss ermöglicht. Eigentlich fällt kein einziges Kapitel durch unnötige Längen oder Nebenhandlungen auf, was beinahe ein Novum in der postmodernen Fantasy darstellt. An einzelnen Stellen möchte man womöglich noch mehr über die Hintergründe und Geschichte der von den Helden bereisten Länder erfahren. Immer wieder wird von den "Alben" und ihrem vorgeschichtlichen Vermächtnis gesprochen, ohne dass näheres dazu erklärt wird. Auch die unterschiedlichen Kulturen werden nur angerissen, Details tauchen zwar auf, werden aber meist nicht vertieft. Das muss nicht negativ sein, als Fan des Autors weiß man aber, dass er genau diese Dinge auch problemlos kann. Besonders gefällt das "nordische Feeling", das sich von der ersten bis zur letzten Seite ausbreitet. Schon die in der Klappenbroschur eingedruckte Landkarte skizziert raue zerklüftete Landschaften, die sich um "Die Bruchsee" herum gruppieren. Auch die Namensgebung, von der Königsstadt "Thorlby"* bis hin zu Flüssen wie dem "Rangheld" spricht eine eindeutige Sprache. Die zeitgenössische Fantasy bemüht sich oft darum, viele möglichst unterschiedliche Kulturen zu präsentieren, hier ist das jedoch nicht unbedingt nötig. Die Handlung bleibt zu jeder Zeit spannend, denn schon Yarvi ist ein vielseitiger Charakter, den seine Gegner und auch der Leser immer wieder unterschätzen. Stellenweise fühlt man sich an das von allerlei Widrigkeiten geprägte Leben eines Tyrion Lennister erinnert, doch die Hauptfigur ist eigenständig genug um den Vergleich auszuhalten. Davon lebt das Buch, auch als abgebrühter Genrefan kann man ohne weiteres mitfiebern. Denn auch das Ende des Buches hält die eine oder andere Überraschung bereit ... Übertriebene Gewalt und Freizügigkeit fehlt übrigens völlig. Ja, es gibt auch noch andere Eigenschaften, die einen Roman spannend machen. Im August erscheint im selben Verlag der zweite Band der Reihe, der in der englischen Originalausgabe über fünfhundert Seiten haben soll. Auf Deutsch werden das einige mehr sein, also sind eine detailliertere Beschreibung von Yarvis Welt und sehr viele weitere Abenteuer durchaus noch möglich. "Ich mag nur ein halber Mann sein", sagte Yarvi, der damit kämpfte, das Schwert wieder in die mit Schaffell gefütterte Scheide zu schieben. "Aber ich kann einen ganzen Eid schwören."** Originaltitel: Half a King Seitenzahl: 368 Format: 13,6 x 20,6 cm, Broschur Verlag: Heyne Fantasy *"bý(r)" ist eine altnordische Endung für Ortsnamen und bedeutet soviel wie "Hof" (vgl. http://www.koeblergerhard.de/an/an_b.html und W. Baetkes "Wörterbuch der altnordischen Prosaliteratur") **Abercrombie, Joe. Königsschwur, S. 51. Heyne, München 2015

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