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Rezension zu
Die geheimen Worte

Auf der Reise zu sich selbst und dem Bestand der eigenen Wünsche (3.5 - 4 Sterne)

Von: Jil Aimée
17.06.2015

Rebecca Martin erzählt in ‚Die geheimen Worte‘ ein Geschichte um verschiedene Töchter aus unterschiedlichen Zeiten, die trotz allem Anschein nach dasselbe Schicksal miteinander verbindet. Dabei webt sie das Leben ihrer Hauptcharaktere in ein Gewand aus zwei verschiedenen Zeitebenen. In Kreuznach, um 1855, trifft der Leser auf die beiden naturverbundenen Schwestern Anne und Sophie, die sich während des Aufenthaltes eines englischen (Kur-)Gastes beide in diesen verlieben. Eine Liebe und Dreiecksgeschichte, jene nicht ganz einfach scheint. Sowohl der englische Gast und Händlersohn James Bennett, als auch die beiden Schwestern sind sich gegenüber nicht ganz offen und ehrlich. Sie begegnen einander auf einem Ball und verbringen in den darauffolgenden Wochen immer mehr Zeit miteinander bei gemeinsamen Spaziergängen und Ausflügen. Dabei kommen sich sowohl James und Sophie, als auch dieser und Anne sehr viel näher als es die damalige Zeit erlaubt. An sich kein Problem, wäre die ältere Schwester nicht bereits verheiratet und Mutter und würde somit nicht nur der gesellschaftlichen Konvention der damaligen Zeit, sondern auch ihrem Mann, Kind und ihrer Schwester schmerzlich in die Quere kommen. Aus Angst vor der zunehmenden Entfremdung Sophies verbirgt Anne zunächst ihre Gefühle und schreibt diese in einem eigenen Buch danieder. Wie das Schicksal es so will, fällt genau dieses der Schwester in die Hände und das Chaos beginnt seinen Lauf zu nehmen… •Zieht Sophie die direkte Verknüpfung Annes‘ Geschichte zu dieser selbst? •Kann sie der Schwester die Annäherung an ‚ihren‘ Fremden verzeihen und das gelockerte Band zwischen den Geschwistern wieder festzurren? •Wird sich der Fremde am Ende für Sophie entscheiden und sich ihrer Liebe offenbaren? •Oder endet die gesamte Dreiecksgeschichte nach Lüftung eines erschreckenden Geheimnisses in Chaos und Untergang für die ganze Familie? •Was sagt die damalige Gesellschaft zu diesen Verhältnissen? Der zweite Handlungsstrang des Romans beschäftigt sich mit dem jungen Leben der Marlene aus Frankfurt um 1923. Sie steht kurz vor ihrer Volljährigkeit und soll den Sohn einer wohlhabenden Familie heiraten, um das Ansehen der ihren als auch das Familientextilgeschäft finanziell abzusichern, erwartet sich aber selbst vom Leben etwas anderes und bricht aus den gesellschaftlichen Konventionen aus. Während einer Familienwanderung, birst sie aus der Kette aus und verirrt sich. Auf der Suche nach dem rechten (eigenen) Weg trifft sie dabei auf den Künstler Adrian, der ihr in der nahen Folgezeit das ‚echte‘ Nachkriegsleben und den Überlebenskampf in der aufkommenden Wirtschaftskrise zeigt. Fernab von ihrem behüteten Leben und Reichtum. Dabei überwirft sie sich mit ihrer Familie, lernt dafür aber wahre Freundschaft und Liebe kennen… „Nein, dies war das Leben, das sie gewählt hatte, und sie war fähig, es zu leben, durch alle Unsicherheiten und Krisen hindurch.“ •Ist sie wirklich fähig dem Zitat Folge zu leisten oder wird sie am Ende doch schwach in den wohlbehüteten Familien-Schoß zurückkehren? •Ist diese Liebe stark genug schwere Zeiten zu überstehen? •Was geschieht mit ihrer Verlobung und der Firma ihres Vaters? •Kann sie sich ihr eigenes Leben aufbauen oder wird sie sich dem familiären und gesellschaftlichen Druck beugen und daran zerbersten? •Was wird dann aus ihren Gefühlen für Adrian? •Aber vor allem, wie sieht ihre Zukunft fernab der üblichen und gefestigten Rolle der Frau aus? Sollten Euch diese Fragen brennend interessieren und ihr zudem noch auf Romane mit heimischen Charakter stehen, dann ist Rebeccas Geschichte eine kleine Kostbarkeit für Euch, die es sich lohnt zu lesen. ‚Die geheimen Worte‘ ist der erste Roman der Autorin, den ich lese und ich wurde nicht enttäuscht. Sowohl das Cover als auch der Titel selbst haben mich zunächst auf das Buch aufmerksam gemacht. Beides ist sehr stimmig, romantisch und schön gebildet. Das Cover ist wunderschön gestaltet und lässt die Macht der Familiengeheimnisse um die geheimen Worte des Buches schon erahnen und hat mich direkt gepackt. Als ich dann noch den Klappentext gelesen und erkannt habe, dass ein Großteil der Erzählung in meiner Heimatstadt Bad Kreuznach spielt, konnte ich nicht anders, als diesem Buch in meinem Leserherzen einen neuen Platz zu geben. Die Erwartungen waren groß und ihnen wurde im Großen und Ganzen durchaus standgehalten. Die Geschichte spielt, wie bereits erwähnt, auf zwei wohldurchdachten und gut sowie wesenhaft dargestellten Zeitebenen. Gerade das Kreuznach um 1855, welches sich von der kleinen Landidylle immer mehr zu einem hoch angesehenen Kurstädtchen mit besonderem, burgenreichem Ambiente entwickelt, gefällt mir dabei sehr gut. Ich denke, wenn man aus der Gegen kommt, wird man sich direkt wohlfühlen beim Lesen, da man sich dort wiederfindet und viele schöne Ecken identifiziert. Daher ist der Teil der in Bad Kreuznach - meiner Heimat - spielt, malerisch wunderbar ausgestaltet und man erkennt direkt die einzelnen Plätze wieder, die einem diese Stadt zu Herze führen. Leider ist aber auch genau dieser Teil an einigen Stellen trotz der idyllischen Kulisse etwas langatmig und gibt nur wenig über die wahren Hintergründe und Gefühle seiner Protagnisten, allen voran James samt Skandal, preis, was es dem Leser etwas schwerer macht, sich in dieser wunderbaren Geschichte fallen lassen zu können. Die ‚ménage a trois‘ ist recht ansehnlich und packend ausgestaltet, lässt aber an so mancher Stelle ein bisschen den Tiefgang des inneren Kampfes der Drei vermissen. Auch wenn James Geheimnis durchaus greifbar und früh erahnbar war, hätte ich mir auch gerade zu Ende in diesem Bezug ein bisschen mehr erhofft, da es für die Geschichte und deren zeitlichen Rahmen ja ein weiteres Tabuthema liefert. Welches dies ist, werde ich aus inhaltlicher Spannung heraus natürlich nicht verraten. Nur so viel sei gesagt, es geht nicht nur darum, dass die Frau von damals im Kampf um eigene Anerkennung und eigene Lebensgestaltung stand, sondern es auch die ein oder andere gesellschaftliche Hürde für den Mann gab. Dies wird in Kreuznach mit James und in Frankfurt mit Marlenes Bruder und seinem Wunsch nach einer anderen - als vorgesehen - Arbeit deutlich. Die Nebengeschichte um Marlenes Bruder wiederum hat es mir positiv angetan. Aber natürlich geht es dennoch hauptsächlich darum, dass sich die Rechte der Frau entwickeln und sie dennoch lange weiterhin nur als schönes Anhängsel und Hauswirtin für die Gesellschaft angesehen bleibt. „Das Ende der Treppe hüllte sich in tiefes Dunkel.“ Gerade dieses Thema hätte durchaus noch etwas mehr Tiefgang und Ausarbeitung erfahren können, auch wenn die Autorin bereits ein sehr wohlgefeiltes und echt wirkendes Bild der damaligen Zeit liefert, in jene man sich durch die Erzählung der beiden Geschichten sehr gut hineinversetzen kann. Auch die Charaktere hätten zudem durchaus an der ein oder anderen Stelle etwas farbigere Akzente in ihrer Ausgestaltung vertragen, auch wenn ihre Emotionen zu jedem Zeitpunkt spür- und greifbar waren und den Fortgang der Geschichte somit in Spannung und Gestalt angehoben haben. Besonders gefallen in Rebeccas Erzählung hat mir ihre Inszenierung der Geschehenskulisse. Seien es die ärmlicheren Viertel Frankfurts oder die heimische Natur. Die von der Autorin gewählte Flora und Fauna malt ein glänzendes Bild um die Heimat, dem ich nur voll und ganz zustimmen kann. Das Tempo der Geschichte ist dabei eher sacht gewählt, liefert aber der atemberaubenden Atmosphäre, jene die Erzählung ausmacht, Raum sich zu entfalten. Während der Schreibstil der Autorin angenehm und strukturiert zu lesen war und durch eine Vielzahl sprachlich passender Bilder unterstützt wurde, empfand ich es ein bisschen störend, dass die Zeitangabe auf dem Buchrücken, die von 1840 spricht etwas umständlich gewählt wurde, spielt die erste Zeitebene des Romans aber gut 15 Jahre später – also um 1855. Das Ende der zweiten Geschichte bleibt offen, wie mitten im Satz stehengeblieben, eben so wie das echte Leben, was für mich einen großen Reiz des Buches ausmacht, da die Fantasie des Lesers nun gefragt ist, zu überlegen, wie es wohl für Marlene weiterging. Ein großer Pluspunkt für die Geschichte, denn solche Spielereien mag ich als Leser sehr. Auch die Namensgebung innerhalb der Charakterschöpfung empfinde ich als überaus authentisch und sehr gelungen. Abschließend lässt sich sagen, dass Rebecca Martin einen angenehmen und malerischen Roman meiner Heimat geschaffen hat, der die Regeln für das damals gesellschaftliche Spiel von Ansehen, Ruhm und Arbeit sehr schön und plastisch vermittelt und dabei die Rolle der Frau in unterschiedlichen Ausprägungen sehr schön mit dem Familienschicksal der Protagonistinnen verwebt. Den roten Faden darüber, warum diese beiden Geschichten so eng mit einander verknüpft sind, liefert übrigens Annes Buch. Den Hintergrund zu dieser Information müsst ihr euch aber schon selbst durch Lesen eröffnen. Nur so viel, dieses Buch taucht öfter auf und hat eine gewisse mahnende Wirkung. Welche diese ist, zieht wohl jeder Leser für selbst daraus. Ich wünsche Euch viel Freude und schöne Lesestunden dabei. Eure Jil Aimée

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