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Rezension zu
Engelskalt

Ja, aber....

Von: Devona
25.07.2015

Meine Rezension bezieht sich auf die Hörbuchfassung. Sprecher: Dietmar Wunder holt das Maximum an Hörvergnügen aus diesem Hörbuch heraus, er schafft es, die einzelnen Charaktere unverwechselbar zu machen, der Geschichte Lebendigkeit zu geben. Wer Dietmar Wunder kennt, weiß, daß er ein Garant für gute Hörbücher ist. Dementsprechend war für mich im Vorfeld klar, daß ich hörtechnisch keine bösen Überraschungen erleben werde. Inhalt: Ich war sehr neugierig und aufgrund des mir bekannten Sprechers auch voller entspannter Vorfreude auf dieses Hörbuch. Samuel Bjørk ist kein Schreibneuling, nur ein Newcomer im Thriller-Genre. Grob zusammengefaßt muss ich sagen, daß „Engelskalt“ ein Buch mit viel verschenktem Potential und vor Allem überflüssigem Ballast ist. Man hat das Gefühl, als wäre der Autor dem eigenen Anspruch nicht gerecht geworden. Man kann erahnen, was er will, nur hinkt die Umsetzung hinterher. Das ist schade, weil schon alleine die Grundidee keine Schlechte ist. Von mir sehr positiv zur Kenntnis genommen: Samuel Bjørk verzichtet auf Gewalt- und Blutorgien, nicht nur en Detail, sondern auch generell. Mit einem gelungenen Anfang schafft er es auch ohne diese Stilmittel, zunächst (!) Spannung zu erzeugen, das „thriller-feeling“ stellt sich ein. Leider kann diese Spannung über die gesamte Dauer des Hörbuches nicht gehalten werden. Das liegt m.E. nicht an der Story selber, sondern am permanenten switchen zwischen Haupt- und Nebensträngen. Die eigentliche Handlung flacht dadurch leider schnell ab. Achtung Spoiler! Keiner, aber auch wirklich KEINER dieser Nebenstränge ist für das schlüssige Auflösen der Haupt-Geschichte nötig. Sie sind schlichtweg nur angelegt, um die Spannung zu erhalten und den Hörer gedanklich in Richtungen zu lenken, die teilweise am Ende sogar lieblos „in der Luft“ hängen bleiben. Stichworte: Lukas-Pfarrer, Tobias-Raquel, Täter-Pressekontakt Spoiler Ende In diesen Nebensträngen werden brisante Themen wie Kindesmissbrauch, psychische Abhängigkeit, seltsame Sektenaktivitäten bunt miteinander gemixt, teilweise auch nur angedeutet, es drängt sich wirklich der Gedanke auf, daß Samuel Bjørk Vieles einbeziehen wollte, was letztendlich auf der Strecke bleibt. Hier wäre weniger mehr gewesen und hätte bei einer etwas anderen Grundstruktur von „Engelskalt“sicher schlüssig und effektvoll in die Hauptstory eingebunden werden können. Bei den Protagonisten habe ich am Anfang die Hoffnung gehabt, daß sich Gabriel -weil er relativ ausführlich ins Team eingeführt wurde- zu einem führenden Charakter entwickeln würde. Diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt. Er agiert mit fortschreitendem Geschehen nur noch als nerdiger background von Mia und Holger Munch, der Rest des Teams bildet ebenfalls (die sicher notwendige) Staffage, die nicht näher vorgestellt wird. Mag sein, daß ich zu anspruchsvoll bin, was die Charaktere anbelangt. Ich würde mir einfach mal nur einen „stinknormalen“ Kripobeamten wünschen, der einfach mal „nur“ seinen Job macht. Ich würde gerne mehr über diesen Job erfahren, in Ermittlungen eintauchen, mitfiebern, statt mich neben eines Falles her permanent mit den Befindlichkeiten und seltsamen Marotten von Hauptfiguren herum zu schlagen, die die Geschichte nicht wirklich bereichern und die diese Hauptfiguren schnell ins Klischeehafte abgleiten lassen. Der Missbrauch von legalen und verschreibungspflichtigen Suchtmitteln ( Nikotin – Holger Munch, Alkohol+Psychopharmaka – Mia) grenzt hier schon fast an Dauerwerbung. Einer stinknormalen Profilerin/Ermittlerin traue ich durchaus zu, beim intensiven und konzentrierten ersten Sichten der Unterlagen zum ersten Todesfall ein winzig kleines Detail zu finden, welches die Brisanz dieses Falles wahnsinnig erhöht ( „es wird noch mehr Tote geben“). Einer von seit Wochen mit wahllos eingeworfenen und mit harten Alkoholika herunter gespülten Psychopharmaka völlig bedröhnten und der Realität entrückten Mia kann ich das nicht abnehmen, körperlich und mental ist diese Frau dazu überhaupt nicht in der Lage. Ich habe bis zum Schluss auch nicht begriffen, warum sie so drauf ist. Und irgendwann nerven die ständigen Wiederholungen. Man muss den Hörer nicht permanent erneut darauf hinweisen, daß Mia jetzt gerne ein Bier trinken würde, dann aber doch lieber Wasser bestellt. Und das Bier danach. Plus Schnaps. Ich weiß nicht, warum diese Ermittler solche Freaks sein müssen…weil der Autor vllt. davon ablenken möchte, keinen Plan zu haben oder nicht genügend recherchiert zu haben, wie ein Profiler arbeitet? Mia schreibt -beflügelt durch Alkohol- die Wirrnis ihrer Gedanken in abgehackten, zusammenhanglosen Stichwörtern auf diverse Zettel, schlussfolgert daraus etwas, schreibt weitere Stichwörter und hat irgendwann (nach noch mehr Alkohol: „Einen Ratzeputz bitte!“) einen Geistesblitz (dem dann nachgejagt wird). Das ist ihre Art zu ermitteln. Hm. Schlüssige Assoziationsketten oder strukturierte Ermittlungsarbeit werden nicht geboten. Dafür hängt Entwicklung und Lösung des Falles zu einem Prozentsatz von absoluten Zufälligkeiten ab, der mir zu hoch ist. Natürlich gibt es immer Zufälle, aber so viele? Entscheidende? Achtung, Spoiler » Wie bekommt der Täter heraus, wo sich Munchs Tochter und Enkelin befinden, die sich unter sämtlichen polizeilichen Sicherheitsvorkehrungen an wechselnden, geheimen Orten aufhalten und wie umgeht er die vor der Tür postierte Polizeiwache, um das Kind in seine Gewalt zu bekommen? Er schickt eine gefakte sms (Absenderkennung??), klingelt an der Tür und schwupps ist das Kind weg und die Mutter betäubt. Da kommt man sich schon veralbert vor. Wie wäre die Story eigentlich weiter gegangen, wenn der ALLES ENTSCHEIDENDE Hinweis zum Fall, der Holger Munch in einer rein privaten Rätselaufgabe verpackt präsentiert wird (er hat Internetbekannte, mit denen er per Email in seiner Freizeit knifflige Rätsel löst) und die er Gabriel zum „gelegentlichen Entschlüsseln“ überläßt, von diesem erstmal als „Privatkram“ ignoriert worden wäre: purer Zufall, daß er sich nebenher an die Aufgabe macht. Die Frau mit dem vor 2 Jahren weggeworfenem USB-Stick ihres toten Exmannes, bringt das Filmchen auf selbigem Stick mit dem aktuellen Fall der ermordeten Mädchen in Verbindung. Der Film hatte eine völlig andere Thematik. Wow. Wieso? Und, und, und….alle diese Dinge sind von zentraler Bedeutung. Und werden nicht erklärt. Spoiler Ende Das Fazit ist für mich bei „Engelskalt“ schwierig. Einerseits hört sich dieses Hörbuch -nicht zuletzt durch Dietmar Wunder!- recht spannend, andererseits sind da zu viel Ungereimtheiten und zu viele offene Enden. Wer sich davon nicht abschrecken läßt, dem kann man das Buch sicher empfehlen, der bekommt dann auch den spektakulären und für mich um 2 Nummern zu großen showdown ( jaja, ich weiß, das brauchts in einem Thriller ) mit einem Täter, der die ganze Sache sehr rational, sehr kalkuliert, sehr detailgenau geplant und durchgeführt hat…. Achtung, Spoiler » …wozu leider absolut nicht paßt, daß er ein emotional durchgeknallter und irrationaler Irrer ist. Die komplette Umsetzung der Tat(en) mit allen Details über einen extrem großen Zeitraum erfordert umfangreiches Wissen und spezielle Fähigkeiten in so vielen Bereichen, daß es unwahrscheinlich ist, daß EIN Täter diese Bandbreite abdeckt und schon gar nicht DIESER Täter. Spoiler Ende Ich empfehle „Engelskalt“ Leuten, denen Unterhaltung wichtiger ist als ein intelligent durchgeplantes Szenario mit schlüssigem Ende. Anspruchsvolle Thriller-Hörer werden nicht zu 100% auf ihre Kosten kommen. 3 Sterne für das Buch, 4,5 für Dietmar Wunder. Falls, wie ich vermute, Samuel Bjørk mit den Ermittlern Krüger/Munch ein neues skandinavisches Serien-Duo ins Rennen schickt, würde ich einem zweiten Teil schon noch eine Chance geben. Mitunter wächst ja der Autor auch mit seinen Büchern und mitunter reichen auch ein paar kleine Korrekturen an den Protagonisten.

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