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Rezension zu
Ikarus

Ikarus

Von: ralfreitze
06.08.2015

Der Holder Jami Jamis Takeder ist tot. Der Kopiat Jami Jamis Takeder erwacht ohne Bürgerrechte in seinem violetten Körper und hat 20 Tage Zeit, seinen (eigenen) Mörder zu finden. Nach diesen 20 Tagen stirbt sein Körper, keine weiter Kopie ist möglich. Die Tätigkeiten des Kopiats werden von einer Kommission aufgezeichnet, zusätzlich hat der Kopiat von seinem Vorgänger aber noch 1 % des Vermögens der Holding mitbekommen, um die Suche komfortabel zu gestalten. Jamis ist verwirrt, die Aufzeichnung seines getöteten Ichs liegt 2 Tage zurück, was hat Jamis dazu getrieben sein Bewusstsein aufzuzeichnen, ahnte er von dem Mord? Was oder wer ist die Stimme, die in seinem Inneren spricht und ihm Informationen zuflüstert, die er nicht zuordnen kann? Die menschliche Rasse wird seit 400 Jahren von den Regulatoren, einem Zusammenschluß von 12 höher entwickelten Zivilisationen, begrenzt, beschnitten, die menschlichen Kolonien auf den Planeten sind voneinander abgeschnitten. Wir sind im Tau-Ceti-System 12 Lichtjahre von der Erde entfernt. Die Regeln werden von den Besatzern gemacht, nur wenige Menschen, die in Creditoren, Debitoren und Herrschenden, die 'Holder', aufgeteilt sind, kommen in den Genuss von höher entwickelter Technik und Privilegien. Daneben existiert eine Widerstandsgruppe, die Liberalisten, die die 4 Jahrhunderte lange Isolation beenden will. In diese Welt werden der Kopiat und der Leser ahnungslos geworfen. Vor seinem Tod war Jamis ein mächtiger Holder, jetzt ohne Bürgerrechte und ohne vollständige Erinnerung an sein früheres Leben, versucht er sich verzweifelt zurecht zu finden. Wem kann er trauen? Hatte der echte Takeder überhaupt Freunde? Welche Rolle spielen seine Frau, oder sein Sohn Erik, der nach seinem Tod den Vorstand der Holding übernahm?Das Wirtschaftsunternehmen verkauft sogenannte Lizenzen, der Regulatoren Hardware, was sind die Interessen der fremden Spezies, warum werden die Menschen eingesperrt? Aus der Sicht von Takeder erleben wir die ersten 'Gehversuche' in diesem atemlosen Thriller und dann wird der Kopiat auch noch Opfer eines Giftanschlages, der die Lebenszeit des violetten Körpers nochmal drastisch reduziert. Brandhorst hält sich hier nicht mit Erklärungen auf, der Leser muss sich die meisten Punkte mühsam zusammenreimen. Es ist eine verwirrende Welt, die Brandhorst hier parat hat, aber auch eine, die sich von dem vorherigen Bestseller Kosmotop unterscheidet. Das Einzige was beide verbindet, ist die Fülle von Ideen, die auf den Leser hereinprasseln. Hier ist noch mehr Aufmerksamkeit gefragt, das Tempo und die Spannung werden bis aufs Äußerste angezogen. Der Leser fühlt sich wie Takeder, ein Kopiat, mit unzureichendem Wissen ausgestattet, ein Gift, das in seinem Körper zirkuliert, auf der Suche nach dem Mörder, ohne Wasser oder Essen zu benötigen (wie der Körper des Kopiaten) ist er dem Buch ausgeliefert! Dass nach der Hälfte des Romanes die Hoffnung und Zuversicht des Kopiaten und des Lesers auf eine neue Tiefstmarke gesunken ist, das Buch aber trotzdem noch nicht einmal bei der Hälfte der Seiten ist, erstaunt, dann fasziniert es einen, wie Brandhorst noch den letzten Rest von Spannung und Komplexität in die Geschichte verpackt. Das Tempo wird noch atemloser, noch dichter, bis Brandhorst wirklich die maximale Aufmerksamkeitsspanne des Lesers erreicht hat. Ikarus ist nicht bloß ein atemloser Thriller mit Materialschlacht, das Konzept des Ikarus der den Göttern trotzt und der Erde flieht ist hier als Assoziation zu dem geheimen Projekt Ikarus zu verstehen, das Auflehnen der Menschheit gegen ihre Wächter. Auffallend ist auch das vollkommen andere Konzept von Ikarus zu Kosmotop. Hatte ich beim Kosmotopen gedacht, Brandhorst hatte hier seine Ideen für Jahrzehnte verschleudert, wurde ich bei Ikarus eines Besseren belehrt. Was unter dem Tempo leidet, sind dann doch etwas die Figuren. Außer mit Takeder und vielleicht noch Mercurio, dem Führer der Liberalisten, wird man mit keiner anderen Nebenfigur warm, auch wenn teilweise sogar aus ihrer Sicht erzählt wird. Ob Ikarus jetzt nun der Sonne zu nahe kommt und deswegen zu hart auf dem Boden aufschlägt, mag der geneigte Leser selber lesen. Für mich ist Brandhorst einer der interessantesten, packendsten, innovativsten und spannensten lebenden Science Fiction Autoren, von dem ich bestimmt noch nicht das letzte Buch gelesen habe.

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