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Rezension zu
Die Welt ist kein Ozean

Traumatische Erlebnisse und jugendliche Liebe

Von: Satu Gustafson
09.08.2015

Eckdaten zum Buch: Autor/in: Alexa Hennig von Lange Titel: Die Welt ist kein Ozean Erscheinungsjahr: 2015 Genre: Jugendbuch/Mädchen Länge: 242 Thema: Ängste, psychische Störung, Liebe unter schwierigen Umständnen Plot in einem Satz: Franziska macht ein zweiwöchiges Praktikum in der Jugendpsychiatrie und verliebt sich in einen Jungen mit totalem Mutismus. Erster Satz: Seit ich auf der Welt bin, versucht meine Mutter, mich von allem fernzuhalten, was mich auch nur im Ansatz traumatisieren könnte. Inhalt: Die siebzehnjährige Franziska macht ein zweiwöchiges Praktikum in einer Jugendpsychiatrie, wo sie den gutaussehenden Tucker kennenlernt, der leider ein Problem hat: seit einem traumatischen Erlebnis in der Vergangenheit spricht er nicht mehr und hat sich ganz in sich zurückgezogen. Auch die Ärzte kommen nicht an ihn heran. Franziska verliebt sich in den Jungen und kommt ihm näher, als es für eine Praktikantin erlaubt wäre. Dabei plant sie doch eigentlich, ein Jahr an einem renommierten Musik-College in Australien zu verbringen. Wie soll sie sich entscheiden? Was mir gefallen hat: Das Cover fand ich großartig und auch der Klappentext liest sich sehr interessant. Die Grundidee des Buchs gefällt mir einfach. Auch der generelle Faden des "Erwachsenwerdens" war passend. Franzi muss zunehmend mehr Lebensentscheidungen treffen und hat Angst davor, da sie bisher noch nicht sehr viel selbstständig entscheiden musste. Mir gefiel auch die Passage, in der Franzi den Straßenmusiker Randy kennenlernt. Die Gespräche zwischen den beiden haben für mich vieles herausgerissen. Insgesamt bin ich mit dem Buch aber leider überhaupt nicht warmgeworden. Was mir nicht gefallen hat: (Achtung, milde Spoiler!) Ich muss voranstellen, dass ich nun wirklich nicht die Zielgruppe des Buches bin. Ich könnte eher schon Kinder im Zielgruppenalter haben (meine sind allerdings noch klein). Insofern ist mein Blickwinkel sicher auch ein anderer, und ich kann mir vorstellen, dass der Roman jüngeren Mädchen sehr gut gefallen könnte, auch wenn ich persönlich damit gar nicht warmgeworden bin. Das lag zum einen am Schreibstil, der sehr jungendlich ist, und auch einiges an Stilblüten produziert. Ich fühlte mich an Texte meiner Schüler erinnert. Das macht den Text einerseits natürlich authentisch, denn Franzi ist genau in dem Alter, in dem auch meine Schüler sind. Dennoch hätte eine Stilpolitur hier und da dem Lesevergnügen nicht geschadet. Das ist auch gleich mein zweiter Kritikpunkt. Ich weiß nicht, was das Lektorat gemacht hat. Lektoriert jedenfalls nicht. Ich bin Deutschlehrerin und lese sehr viel Korrektur. Ich bin deswegen sehr auf Fehlersuche trainiert, daher fällt mir sicher weit mehr auf als dem durchschnittlichen Leser. Dennoch finde ich, dass in einer Verlagsveröffentlichung, die auch im Print erhältlich ist, nicht so viele Fehler zu finden sein dürften. Von einer "Sechszehn" in der Kapitelüberschrift zu einem "Bundstiftherz", zahlreichen Grammatik- und Anschlussfehlern bis hin zu inhaltlichen Dingen. Da werden zum Beispiel in der "Gestalttherapie" Plakate gebastelt. Die Gestalttherapie ist aber ein sehr festgelegter Begriff und hat mit "Gestalten" an sich erst einmal wenig zu tun. Gemeint ist wohl eher Kunsttherapie oder GestaltUNGStherapie. Ich fand einige Inhalte auch sehr klischeehaft (wie den "ehrenhaften Gauner" in Form von Franzis zukünftigem Schwager, dem reformierten Gangmitglied, das plötzlich zum Traumschwiegersohn mutiert ist). Manches las sich einfach für mich wie ein Skript zu "Zwei bei Kalwass" oder ähnlichen Pseudo-Reality-Formaten. Schade fand ich in jedem Fall, dass der Roman so an der Oberfläche bleibt. Tuckers Erkrankung wird zum Beispiel nicht näher beleuchtet und seine spontane Wunderheilung ging mir viel zu schnell. Ich hätte mir gewünscht, Franziska hätte sich ihm langsam genähert - vielleicht in einem Praktikum, dass sich über 3-6 Monate zieht. Zwei Wochen waren mir einfach zu kurz - auch zu kurz um die ganz große Liebe entstehen zu lassen, die hier schon nach drei Tagen plötzlich im Raum steht, ohne dass die beiden auch nur ein Wort miteinander gesprochen haben. Eigentlich macht Franzi auch nichts Besonderes, das erklären würde, warum Tucker auf sie reagiert. Franzi wirkte auch so, als habe sie sich überhaupt nicht informiert, bevor sie das Praktikum begonnen hat. Auch bei den Klinikszenen an sich hatte ich nicht das Gefühl, dass hier umfassend recherchiert wurde. Die Ärzte und Schwestern wirken sehr laienhaft und haben natürlich überhaupt keine Ahnung. Sie sind dann auch dementsprechend froh, dass endlich Franzi daherkommt. Das Ende fand ich auch nicht besonders realistisch. Ich bezweifle, dass jemand, der nicht schwimmen kann, auf die Idee kommt, nachts in ein unbekanntes Gewässer zu steigen, um dort einen Schlüssel zu suchen (!), den man vermutlich auch am Tag nicht finden könnte, geschweige denn in der Dunkelheit. Und natürlich ist zufällig dann auch der Retter mitten in der Nacht rechtzeitig zur Stelle. Also, ich mag ja Kitsch und verzeihe viel, aber das war mir wirklich etwas too much. Es wirkte einfach unmotiviert und konstruiert. Schade. Mit den Charakteren wurde ich auch nicht so recht warm. Franzi zerfloss immer wieder im Selbstmitleid (warum eigentlich?), ihre Freundin Nelli war mir ziemlich unsympathisch und auch Tucker blieb reichlich blass. Von ihm ist bei mir hängengeblieben, dass er Waffeln mag und gut aussieht. Viel mehr nicht. Das schlechte Lektorat mag ich hier nicht der Autorin anlasten, aber es hat mich wirklich gestört. Wem würde ich das Buch empfehlen? Ich glaube, jüngere Leserinnen nehmen es mit dem Realismus nicht so ernst. Stichwort: Zwei bei Kalwass. Da geht es auch mehr um das Drama, das für eine jüngere Zielgruppe eben spannend ist. Ihr Fokus dürfte mehr auf dem Gefühl liegen, das vermittelt wird. Hier bietet der Roman natürlich einen hübschen, unnahbaren Jungen mit Problemen, ein Mädchen im Strudel der widerstreitenden Gefühle, das mit allen Problemen des Erwachsenwerdens konfrontiert ist, eine schöne Kulisse, viel Drama (und Melodram) und somit vermutlich auch gute Unterhaltung. Sehr seicht meines Erachtens, aber wenn man sich darauf einlässt, kann es auch unterhaltsam sein. Bei mir addierten sich die negativen Eindrücke einfach zu sehr, dass ich es nicht mehr genießen konnte, aber ich betrachte das Buch wie gesagt auch aus einem völlig anderen Blickwinkel. Unterhaltung - ja. Tiefgang - Fehlanzeige. Ich könnte es mir als Ferienlektüre für Mädchen ab 12 vorstellen. Es ist aber kein Buch, das ich als Mutter mitlesen würde, um gemeinsam zu schwärmen.

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