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Rezension zu
Engelskalt

Spannender, düsterer Thriller aus Norwegen

Von: Lesen ist
08.09.2015

Im Prolog wird erzählt, wie eine Frau ein Kind bekommt, am 28.8.2006. Leider war die Mutter Bluterin und starb bei der Geburt. Das neugeborene Kind verschwindet von der Säuglingsstation. 2 Wochen darauf wird ein schwedischer Krankenpfleger erhängt in seiner Wohnung aufgefunden. Es gibt einen Brief mit vier Worten: »Es tut mir leid«. Sechs Jahre später. Es kleines Mädchen wird im Wald mit einem Springseil aufgehängt gefunden. Sie trägt ein eigens genähtes Kleidchen, eine Schultasche mit Schulbüchern und ein Schild um den Hals von einer Fluggesellschaft: »Ich reise allein«. Kommissar Holger Munch bekommt den Fall und ist auf dem Weg zu Mia Krüger, seiner ehemaligen Kollegin. Sie hat sich auf die Insel Hitra zurückgezogen. Mia hat ihre eigenen Probleme. Sie nimmt viele verschiedene Tabletten und trinkt dazu Alkohol. In 12 Tagen wird sie sterben. Leider kommt hier mein erster Kritikpunkt: Das erste Kapitel mit Mia ist zeitlich 11 Tage bevor Holger Munch sich auf dem Weg zu ihr befindet. Es gibt keinen Hinweis auf diese zeitliche Differenz und ich fand das anfangs leicht verwirrend, weil es in den Kapiteln mit Mia eine Art Countdown gibt, bis dann Munch bei ihr auftaucht. Diese ersten Kapitel mit Mia dienen dazu, sie kennenzulernen. Was in der Vergangenheit passiert ist und wieso sie vorhat, Suizid zu begehen. Bald wird ein zweites Mädchen gefunden, wieder aufgehängt im Wald, alles wie beim ersten Kind. Diese Morde kommen ganz ohne Blutvergießen aus, aber Mord an Kindern geht immer unter die Haut. Wehrlose kleine Mädchen, die demnächst eingeschult werden sollten, angezogen wie Puppen und aufgehängt wie kleine Engel. Dass hier ein Psychopath am Werk ist, steht außer Zweifel. Samuel Bjørk spielt sehr mit dem psychologischen Aspekt seiner Charaktere. Mia Krüger ist in einem sehr schlechten psychischen und physischen Zustand und soll helfen diesen absolut kranken Täter zu finden. Keine leichte Aufgabe. Sie ist nicht auf der Höhe, so vollgepumpt mit Medikamenten und Alkohol, aber sie sieht was andere nicht sehen, spürt was andere nicht fühlen. Holger Munch ist im Vergleich zu ihr ein Sonnenschein, obwohl er auch seine Probleme hat. Diese beiden Protagonisten sind ein sehr interessantes Duo. Die Charakterbildung ist anfänglich sehr gut gelungen, wird aber später im Buch von der Geschichte etwas beiseitegeschoben und vernachlässigt. Es kommen immer wieder neue Charaktere ins Spiel, manche sind absolut nebensächlich, haben ein Opfer gefunden und verschwinden wieder aus der Geschichte. Andere bekommen einen eigenen Erzählstrang, der zwar spannend ist, aber eher dazu dient den Leser in die Irre zu führen. Mit fast jedem neuen Kapitel verfolgt man jemand anderes und der Fall selbst kommt nur langsam voran. Ich finde, Samuel Bjørk hätte weniger versuchen sollen, Verwirrung zu stiften, weil der Fall selbst schon spannend genug war. Ein zu viel an nebensächlichen Figuren und Handlungen lenken zu sehr von den Hauptpersonen und Ereignisse ab. Die vielen weiblichen Namen die mit »M« anfangen fand ich wenig einfallsreich: Mia, Miriam, Marion, Margrete, Marlin … und das sind nicht alle. Das setzt sich in abgemilderter Form bei den Nachnamen der männlichen Personen fort. Vielleicht ist das Teil des Verwirrspiels, das Bjørk mit dem Leser treibt. Die Geschichte ist wirklich spannend und bald glaubt man zu wissen, wer hier kleine Mädchen ermordet. Dann nimmt alles eine dramatische Wendung, das Tempo steigert sich und alles scheint verloren. Viele Themen werden aufgegriffen, auch wenn sie am Ende nicht alle mit dem Fall direkt zu tun haben: sektenähnliche Zustände, Gewalt gegen Kinder, Missbrauch, Vernachlässigung, Drogen- und Alkoholsucht und natürlich psychische Erkrankungen. Es hat mich etwas irritiert, dass nicht alles in der einen Richtung aufgeklärt wird. Vielleicht nebensächlich, trotzdem stört es mich. Wozu dann das Ganze mit einbauen, wenn Fragen unbeantwortet bleiben? Polizeischutz für gefährdete Personen gibt es nicht, das fand ich sehr unwahrscheinlich. Ein durchaus spannender, düsterer Thriller aus Norwegen. Leider etwas zu viel an Nebengeschichte um die Spannung zu erhöhen, was aber gar nicht notwendig gewesen wäre. Mehr Augenmerk auf den Hauptcharakteren hätte mir besser gefallen. Ein paar Fragen blieben unbeantwortet, was ich bei einem Thriller nicht leiden kann. Trotz meiner Kritikpunkte merke ich mir den Autor vor, weil es hier sehr viel Potenzial gibt! Das zweite Buch mit Munch und Krüger wird auf meine Wunschliste wandern. Sprecher Dietmar Wunder hat dieses Hörbuch meisterhaft gesprochen. Die vielen Figuren, männlich, weiblich und auch kindlich, kann man mit Leichtigkeit auseinanderhalten. Mit viel Leidenschaft und Emotionen lässt er die Figuren lebendig werden. Er erhöht oder verlangsamt das Tempo der Geschichte perfekt und fesselt den Hörer. Noch ein sehr empfehlenswerter Sprecher auf meiner Liste.

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