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Rezension zu
Aus kontrolliertem Raubbau

Ein wirklicher Eye-opener über die Green Economy

Von: Kim F
21.09.2015

Kathrin Hartmanns neues Buch setzt sich kritisch mit der sogenannten Green Economy auseinander, die zwar weiterhin durch das Streben nach stetigem Wirtschaftswachstum geprägt ist, das jedoch nachhaltig und sozial vonstatten gehen soll. Subventioniert wird sie dafür vielfach von der Politik, unterstützt von Umweltorganisationen und ausgezeichnet mit Nachhaltigkeitspreisen, obwohl etwa für „nachhaltiges“ Palmöl in Indonesien weiterhin Regenwälder gerodet und Menschen vertrieben, in Bangladesch für Garnelen aus Zuchtbecken Reisfelder und Mangrovenwälder zerstört werden und Bauern, die ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden, gegen ihren Hunger Gentechnik-Saatgut aufgezwungen wird, wie Hartmann durch ihre Recherchen festgestellt hat. Die Autorin setzt sich in ihrem Buch mit so vielen Firmen, NGOs, Regierungen und ihren Entwicklungsprogrammen auseinander und zeigt derart viele Missstände auf, dass es nicht immer leicht fiel, den Überblick zu behalten, insbesondere, wenn man sich wie ich noch nicht sehr lange mit diesen Thematiken beschäftigt. Demnach bereitet es mir gewisse Schwierigkeiten, den so umfassenden Inhalt des Buches angemessen zusammenzufassen. Generell hat Hartmann eine erschütternde Abrechnung mit der Green Economy verfasst, die deren Versprechungen, Wirtschaftswachstum mit Nachhaltigkeit und sozialer Gleichheit zu kombinieren, enormer Lügen straft. Einerseits, da sie nicht wirklich an ökologischer Nachhaltigkeit interessiert sind: „Wenn heute also nahezu sämtliche Wirtschaftsbosse sagen, dass Wachstum ohne Nachhaltigkeit gar nicht möglich sei, dann ist das nicht gelogen. Denn Nachhaltigkeit ist nur ein wohlklingenderes Wort für Systemerhalt. Es geht nämlich keineswegs um ökologische und soziale Gerechtigkeit. Sondern darum, Natur und Klima nur so weit zu schützen, wie es nötig ist, um das Wirtschaftssystem, das auf Ausbeutung von Mensch und Natur gründet, so lange wie möglich zu erhalten. Es ist, mit anderen Worten: Kolonialismus mit Herz und, im wahrsten Sinne des Wortes, TÜV-Plakette.“ (S.141) Und andererseits, da weiterhin der Süden vom reichen Norden ausgebeutet wird, wie sie in ihren Nachforschungen in u.a. Indonesien und Bangladesch festgestellt hat. Das Buch beginnt zunächst mit dem Palmölgeschäft, das in zahlreichen Fertiggerichten steckt und etwa für Biosprit verwendet wird und für das weiterhin Regenwälder gerodet werden. Hartmann hat dafür Ölpflanzenplantagen in Indonesien besucht und mit vielen Einwohnern gesprochen, die ihrer Lebensgrundlage durch die Abholzungen beraubt wurden. Ebenso setzt sie sich lange mit dem Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl auseinander, dem zahlreiche Palmölerzeuger und –verbraucher (und der WWF) angehören und der an seine Mitglieder das Siegel für nachhaltiges Palmöl verleiht, womit sie ihr schmutziges Geschäft (inklusive zahlreichen Menschenrechtsverletzungen) grünwaschen. Ein zweiter Schwerpunkt des Buches sind die Nachforschungen von Hartmann in Bangladesch, wo für den europäischen Markt Shrimps in Aquakulturen (in Salzwasserbecken) gezüchtet werden, für die Reisfelder und Mangrovenwälder weichen mussten, was zahlreiche Bauern in die Armut trieb, und die zahlreiche Umweltzerstörungen mit sich brachten. Außerdem setzt sie sich sehr kritisch mit der Stiftung von Bill Gates auseinander und behandelt im letzten Kapitel noch eingehend die Gefahren der Gentechnik, um dann im Schlussteil eine Abkehr von unserem wachstumsorientierten und verschwenderischen Wirtschaftssystem zu fordern, das weiterhin auf die Ausbeutung des Südens ausgerichtet ist, der nun noch die von uns verursachten Klimaschäden mittragen muss. Ob dies angesichts der bloß gewinnorientierten Unternehmen, die mithilfe von Regierungen und ihren Entwicklungsprogrammen, vielen NGOs und der Bill Gates-Stiftung (die Millionen von Aktien der von ihr unterstützten Unternehmen besitzt) den Status quo zu erhalten gedenken, möglich ist, sei dahingestellt. Wünschenswert wäre es! Mich hat das gesamte Buch auf jeden Fall tief bewegt, insbesondere durch die sehr fesselnde und oftmals spöttische Sprache, und sehr zum Infragestellen unserer Lebensweise angeregt. Die Schilderungen der Autorin etwa der Zustände in Indonesien lassen den Leser nicht mehr los und die gesamte Thematik packt einen von der ersten bis zur letzten Seite. Was die Unternehmen, gestützt durch Regierungen, NGOs, Stiftungen und letztlich auch durch jeden einzelnen von uns, der nicht dagegen protestiert, mit der Welt und den Menschen im Süden anstellen, ist wirklich erschreckend. Es wird Zeit, dass wir alle dem in die Augen sehen und unseren kompletten Lebensstil überdenken. Es ist einfach nur Schwachsinn, dass für die Produktion so unnötiger Produkte wie Tütensuppen Menschenleben geopfert, andere in die Armut getrieben werden und das Weltklima zerstört wird. Dafür hätte ich mir ein paar Hinweise am Ende des Buches gewünscht, wie man als Einzelner im Kleinen etwas bewirken kann, etwa zunächst, von welchen Marken man keine Produkte mehr kaufen sollte, und weiterführend, wie man welche Umweltschutzorganisationen (definitiv nicht den WWF!!!) unterstützen kann. Ebenso fehlten mir weiterführende Literaturtipps am Ende des Buches. Zwar werden viele Bücher im Text angesprochen und die zahlreichen Fußnoten, die die sorgfältige Recherche von Hartmann verdeutlichen, weisen sehr viele auf, doch komprimiert am Ende wären einige Buchvorschläge sehr hilfreich gewesen. Außerdem hätte ich mir den Abdruck einiger der im Text angesprochenen Fotos gewünscht, die die Autorin von den Umweltzerstörungen in Indonesien und Bangladesch gemacht hat, die zur Veranschaulichung sehr gut gewesen wären. Fazit Ich konnte nicht einmal annähernd alle Bereiche ansprechen, die in diesem sehr gut recherchierten und fesselnd verfassten Buch behandelt werden, so dass ich wirklich jedem die Lektüre dieses erschütternden Werkes von Kathrin Hartmann empfehle! Man sieht die Welt nicht mehr mit den gleichen Augen, wenn man mit dem Lesen durch ist. Egal, wie utopisch ein paar Forderungen der Autorin vielleicht erscheinen mögen, lasst uns endlich kritisch die Versprechungen von Industrie, Regierungen, vielen NGOs hinterfragen, die uns ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit vorgaukeln und doch nur am Erhalt ihrer Machtbasis interessiert sind. Wann, wenn nicht jetzt im 21. Jahrhundert, in dem wir uns immer für unsere Zivilisation und Fortschrittlichkeit loben, wird endlich menschenwürdigen Leben für alle mehr zählen als Profit für wenige?

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