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Rezension zu
Der Knochenjäger

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Auftakt zu einer der besten New York City-Crime-Serien der letzten Jahrzehnte!

Von: WortGestalt
30.09.2015

Wenn die Protagonisten eines Romans gleichzeitig rasend brillant und bildhübsch sind, rümpft der Leser ja gerne einmal die Nase. Perfekte, makellose Menschen, wie unrealistisch, wie idealisiert! Tja, wie wäre es damit: Eine junge Streifenpolizistin, Amelia Sachs, Anfang 30, schlank, lange rote Haare, wunderschön und vor ihrem Polizeidienst Mannequin. Und ein junger brillanter Forensiker, Lincoln Rhyme, Anfang 40, dichtes dunkles Haar, braune Augen, gutaussehend. Ah, das klingt doch wie Musik. Oberflächlich betrachtet wie für ein Hochglanzmagazin gemacht. Sie auf dem Cover der Vogue, er im Time-Magazine. Ja, aber das hier ist ein Thriller von Jeffery Deaver und da sieht es dann so aus, dass der gutaussehende Forensiker und Star-Kriminalist der New Yorker Polizeibehörde seit einem Arbeitsunfall vor dreieinhalb Jahren querschnittsgelähmt ist, ihm außer einer Restfunktion im Ringfinger der linken Hand nur noch die Beweglichkeit von Schultern, Hals und Kopf geblieben ist. Er lebt zurückgezogen, ist so herrisch wie stur und würde sein Leben gern beenden. Wenn er denn könnte. Und die attraktive Polizistin? Bis auf die Nagelhaut abgekaute, blutverkrustete Fingernägel, blutig gekratzte Kopfhaut, eine Vorliebe für hohe Geschwindigkeiten beim Fahren motorisierter Fortbewegungsmittel und eine stark ausgeprägte Abneigung gegen enge Räume. Um diese beiden Charaktere hat Autor Jeffery Deaver eine der besten New York City-Crime Serien der letzten Jahrzehnte entwickelt. Seit 1997 wurden bisher insgesamt 11 Bände veröffentlicht, ein zwölfter ist in Vorbereitung und soll voraussichtlich 2016 auf dem englischsprachigen Markt erscheinen. In "Der Knochenjäger" (in deutscher Übersetzung erstmals unter dem Titel "Die Assistentin", Goldmann 1999, erschienen) treffen der gelähmte Forensiker Lincoln Rhyme und die Streifenpolizistin Amelia Sachs zum ersten Mal aufeinander, Jeffery Deaver legt damit den soliden Grundstein für eine Reihe, bei der sich insbesondere die Figuren als besonders haltbar erweisen werden. Der Fall, an dem Rhyme und Sachs hier arbeiten, könnte in vielerlei Hinsicht als Wink des Schicksals verstanden werden. Eine Hand samt Unterarm ragt aus dem Erdboden einer alten Bahnanlage in Manhattan, Haut und Fleisch vom Ringfinger sind entfernt worden, dafür ziert ein schöner Diamantring den nackten Knochen. Die Leiche wurde angeschossen und dann lebendig vergraben, senkrecht in der Erde stehend. Außerdem wird eine weitere Person vermisst, es scheint, als habe der Täter Spuren am Tatort hinterlassen, die einen klugen Ermittler zum nächsten Opfer führen könnten, um es eventuell zu retten... Und es deutet sich rasch an, die Tatortarbeit ist das, was diesem Thriller seinen Stempel verpassen wird, "Der Knochenjäger" ist geprägt von der Suche nach Spuren, der Suche nach dem Mörder, der Analyse von Beweismaterial und dem Kombinieren von Erkenntnissen. Es geht oft wissenschaftlich zu, wenn Proben von einem Tatort im heimischen Labor verdampft und in ihre Einzelteile zersetzt werden, um aus den verschiedenen Elementen Rückschlüsse auf die Herkunft der Substanzen zu ziehen. Oft tauchen da charakteristische Merkmale auf, die sich einem bestimmten Stadtgebiet zuordnen lassen, nicht selten lernt man dabei auch etwas über das historische New York. Und immer fasziniert es einen, welche Hinweise sich in den kleinsten Erdklumpen verstecken können, wenn man sie denn zu deuten weiß. Sollte die Kriminaltechnik im realen Leben auch nur annähernd auf dem Niveau arbeiten, mit dem Lincoln Rhyme seine Schlüsse zieht, bleibt nur die Erkenntnis, Verbrechen lohnt wirklich nicht. Doch bei all den wissenschaftlichen Analysen ist "Der Knochenjäger" auch geprägt von dem Thrill der Jagd, der Jagd nach dem Mörder. Während Amelia Sachs die Tatorte untersucht, entsteht meist eine ganz besondere Stimmung, beklemmend, unheimlich, angespannt, drängend. Auch wenn die Tat längst verübt wurde, nährt sich die Spannung aus dem Tatort, hängt das Grauen noch schwer und träge in der Luft, bedrückend und morbide die Atmosphäre. Und wie ein Duell nimmt der gelähmte Forensiker Lincoln Rhyme diesen Fall, wie auch seine späteren, als eine Art persönliche Herausforderung, dem Killer geistig überlegen zu sein und ihn anhand seiner Spuren zu überführen. Dabei hat es oft den Anschein, als würden für Rhyme die Opfer eine untergeordnete Rolle spielen, als ginge es ihm beim Lösen eines Verbrechens weniger um Gerechtigkeit oder Moral, sondern um das Übertrumpfen, die Möglichkeit, die Überlegenheit seines Geistes unter Beweis zu stellen. Vielleicht eine Art Kompensation für seinen nutzlos gewordenen Körper. Vielleicht aber auch, weil Rhyme ein unverbesserlicher alter Klugscheißer ist. ;) In Kombination mit der geradlinigen, konsequenten und engagierten Amelia Sachs, die erfreulicherweise ohne Rollenklischees auskommt, entsteht ein nahezu perfektes Gleichgewicht im Figurenspiel, das funktioniert einfach, das liest sich, das passt. Fazit: Im ersten Fall für den gelähmten Forsensiker Lincoln Rhyme und die Streifenpolizistin Amelia Sachs werden zwei Dinge deutlich. Erstens: In dieser (einer der besten) New York City-Crime Serien dreht sich alles um Spuren, Tatorte, Hinweise und die Jagd nach dem Täter. Und zweitens: Traue niemandem, auch nicht dem Autor, Jeffery Deaver ist der Meister der Täuschung! Das klingt pathetisch, ist aber so. Wirklich. Bewertung: 86,6 % Stil: 4/5 | Idee: 5/5 | Umsetzung: 4/5 | Figuren: 5/5 | Plot-Entwicklung: 4/5 Tempo: 4/5 | Tiefe: 4/5 | Komplexität: 5/5 | Lesespaß: 4/5 | = 4,33 Punkte Rezension auch auf http://wortgestalt-buchblog.blogspot.de

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