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Rezension zu
Gehe hin, stelle einen Wächter

Scout heißt jetzt Jean Louise

Von: wal.li
05.01.2016

Wie in jedem Sommer seit sie in New York lebt fährt Jean Louise zurück nach Maycomb, um ihren Vater und den Rest der Familie zu besuchen. Ihr geliebter Bruder Jem ist leider viel zu früh verstorben und ihr Jugendfreund Dill ist in Europa. Und so ist einiges anders in der Heimat, doch die 26-jährige freut sich auf den Besuch. Besonders auf ihren Vater, der in ihren Augen nichts falsch machen kann. Zwar nervt Tante Alexandra ein wenig, weil sie Jean Louise in das enge Kleinstadtleben einbinden will. Aber es ist Sommer, bis zu dem Tag als Jean Louise mitbekommt, dass ihr Vater im Bürgerrat ist. Die Südstaaten Amerikas mit ihrer speziellen Apartheitsproblematik werden hier von der durch „Wer die Nachtigall stört“ weltbekannten Schriftstellerin Harper Lee thematisiert. Nach Presseverlautbarungen wurde das vorliegende Buch bereits vor ihrem Mega-Seller geschrieben, von den Verlagen allerdings zurückgewiesen. Nun sind wir alle an die irgendwie heile Kinderwelt Scouts gewöhnt und gerade von dieser Kinderwelt muss man sich im Laufe der Lektüre dieses neuen älteren Romans verabschieden. Jean Louise steht mit beiden Beinen im Leben, sie hat eine Arbeitsstelle in New York, sie ist die freiheitliche Gleichheit der Stadt gewöhnt und auch deren Gleichgültigkeit vermeintlichen Unterschieden gegenüber. Und so wirkt die jährliche Rückkehr nach Maycomb wie ein Rückschritt. Dennoch genießt ihr Vater in den Augen der Tochter höchstes Ansehen, einen Vorbildstatus, dem ein Mensch nur schwer gerecht werden kann. Das Entsetzen über das Verhalten des geliebten Vaters spürt man beim Lesen fast am eigenen Leib. Der Sockel wankt, es ist wie ein jähes Erwachen. Scout muss erwachsen werden und sich eingestehen, dass das Denken des Vaters nicht immer der Weisheit letzter Schluss ist. Eine Ablösung, die auch ein Aufbruch sein kann. Auch wenn dem Buch der süße Schmelz aus Scouts Kindertagen meist fehlt und nur hin und wieder in Erinnerungen aufblitzt, ist dieser Roman doch außerordentlich gelungen im Hinblick einer Ablösung der Tochter von ihrem Übervater und im Erklärungsversuch der Verlustangst der Südstaatler, welche sie so gegen logische Neuerungen eingestellt erscheinen lässt. Jean Louises Plädoyer für die Gleichheit ohne Gleichmacherei überzeugt. Sie emanzipiert sich von der althergebrachten Denkweise, letztlich ohne ihren Vater zu verlieren. Vielleicht hat sie ihn sogar gewonnen. Man könnte sich wünschen, es wäre möglich zu erfahren, was sie aus ihrem Aufbruch gemacht hat. 4,5 Sterne

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