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Rezension zu
Der Distelfink

Die Kunst eines Lebens

Von: Marius
21.01.2016

Was für ein Buch. Über 1000 Seiten, ein Leben voller Kunst, Gefahr, ein Porträt Amerikas, eine Einführung in die Kunst des Goldenen Zeitalters der Niederlande, und nicht zuletzt die sogvolle Schilderung eines kriminellen Lebens und einer Spirale, der sich niemand entziehen kann. Kurzum: ein Roman, der seinesgleichen sucht. Geschrieben hat ihn Donna Tartt, die sich für ihre Bücher in der Regel ein Jahrzehnt Zeit lässt. Ohne Druck entstehen dabei Epen, die im Literaturbetrieb etwas ganz besonderes sind. 1992 debütierte sie mit dem Roman "Die geheime Geschichte", 2002 lies sie "Der kleine Freund" folgen, ehe nun 2013 "Der Distelfink" erschien. Dieser erzählt die Lebensgeschichte von Theo Decker, dessen Vater sich aus dem Staub gemacht hat und der mit seiner Mutter in einem New Yorker Appartment lebt. Die große Liebe zur Kunst treibt sie und ihr Kind immer wieder in Museen und wird letztendlich auch zu ihrem Schicksal. Bei einer Explosion im Metropolitan Museum kommt sie ums Leben und Theo überlebt als einer der wenigen die Katastrophe. Fortan schlägt er sich alleine durchs Leben und wird von der Familie eines Freundes adoptiert. In der feinen Oberschichtenfamilie verbringt Theo seine Zeit, ehe er von seinem leiblichen Vater nach Las Vegas geholt wird, wo er mit Boris, einem anderen Halbwaisen, Freundschaft schließt. Steter Begleiter ist Theo in allen Lagen Der Distelfink, das berühmte Gemälde des holländischen Malers Carel Fabritius, welcher ironischerweise auch bei einer Explosion ums Leben kam. Das widerrechtlich in Theos Besitz befindliche Gemälde löst in der Folge eine Abwärtsspirale aus, die Theo immer weiter in die Kriminalität drängen wird und die undurchdringbar erscheint. Am Ende wird gar ein Mord im Raum stehen. Von der ersten Zeile an packte mich Donna Tartt mit ihrer Geschichte und ließ mich erst nach 1022 Seiten wieder los. Ähnlich der Spirale, in der sich Theo wiederfindet, steckt sie den Leser ebenfalls in eine solche und lässt ihn immer tiefer in Theos Schicksal und die Welt der Kunst eintauchen. Wie Donna Tartt Theos Schicksal schildert, das ist große Kunst. Sie schafft mit Der Distelfink einen Raum der Magie, in dem ich gebannt wandelte und froh war, die Welt durch Theos Augen zu sehen. So wenig wie der Distelfink in Fabritius' Gemälde seinem Schicksal durch seine Kette entrinnen kann, so wenig ist Theo in der Lage, auf seiner Schussfahrt zu wenden. Wie gefangen mich die Lebensgeschichte Theos nahm, lässt sich am besten an dieser Begebenheit aufzeigen: Während der Lektüre des Distelfinks ertappte ich mich dabei, dass ich das Internet nach Reproduktionen des Distelfinks durchsuchte. Donna Tartt gelang es, mit ihren Schilderungen des Gemäldes von Fabritius dasselbe zu bewirken, das sie bei Theo Decker beschreibt. Die Bewunderung und Liebe zu dem Gemälde ergriff mich und so wollte auch ich am liebsten einen Distelfink besitzen. Genauso wie in Der kleine Freund schildert Tartt auch hier wieder einen jungen Menschen beim Übergang ins Erwachsenwerden und die tödlichen Konsequenzen, die ein vermeintlich unschuldiger Wunsch haben kann. Wie sie das tut, ist nicht anders als meisterhaft zu nennen. Für mich hat Donna Tartt mit diesem Roman endgültig das Erbe Charles Dickens oder der großen russischen Erzähler angetreten. Wie souverän sie durch die 1000 Seiten hindurch in aller Akribie und Gewandheit das Leben von Theo schildert, dies liest man in der zeitgenössischen Literatur nicht so oft. Diese Vermengung aus Kunst und Kriminalität ist wunderbar geraten und gar nicht fernab der Realität, wie z.B. der Fall von Cornelius Gurlitt zeigt. Wenn die Autorin das nächste Mal wieder in der Lage ist, ein ebenso kraftvolles und eindringliches Buch zu schreiben, dann nehme ich auch die zehn Jahre Wartezeit in Kauf, wenn man mit solch literarischen Perlen belohnt wird! P.S.: Man sollte sich keinesfalls von der Dicke des Buchs beeindrucken lassen, in meinem Falle hätte Der Distelfink ruhig noch einmal so dick sein dürfen. Dieses Buch ist ideal, um darin zu versinken und sich für viele Stunden mit Theo Decker zu verlieren.

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