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Rezension zu
Die Mutter meiner Mutter

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Die Mutter meiner Mutter – Sabine Rennefanz

Von: Madame Flamusse
19.03.2016

Auf das Buch war ich sehr gespannt. Vor einiger Zeit habe ich auch “Eisenkinder” gelesen was mir zuerst nicht gefallen hatte, dann aber Seite um Seite mehr. “Die Mutter meiner Mutter” habe ich sozusagen gefressen. In 2 Tagen durchgelesen. mich hinein gestürzt, die Geschichte aufgesogen. Die Geschichte hat im Grunde nicht so viel mit mir selbst zu tun aber irgendwie doch, so als Kriegsenkelin, die hier Parallelen findet zu den Menschen in Ihrem Leben. Solche Geschichten zu lesen, vor allem solche aus dem Osten von Deutschland ist schon auch eine Suche nach Antworten. Die Geschichte an sich wäre schnell erzählt – ist Sie aber nicht, und es bleibt auch insgesamt vieles offen auch auf die Frage warum es “Die Mutter meiner Mutter heißt” anstatt meine Oma oder so. Daran störe ich mich aber nicht, denn um gewisse Dinge erzählen zu können braucht es Abstand zu den Dingen . Eine Buchhändlerin die hin und wieder Lesungen anbietet sprach ich auf dieses Buch an und ob das nicht mal eine schöne Einladung wäre, die Sabine Rennefanz. Die Buchhändlerin meinte, wer will schon zu einer Veranstaltung kommen wo es um die Geschichte der Vergewaltigung der eigenen Großmutter geht. Diese Antwort hat mir ein wenig die Sprache verschlafen, denn dies so auszudrücken wird weder dem Buch gerecht noch der Thematik, die eben soviel weiter greift. Und wenn Sie es schon so auf den Punkt bennenen will, wie sehr hat doch Gewalt an Frauen uns alle geprägt? Wie sehr sitzt diese Gewalt in unseren Genen? Wie sehr die Angst und der Schmerz? Wenn schlimme Dinge passieren sind diese nicht einfach vorbei, und genau darum geht es in diesem Buch. Das was passiert, ist sehr sehr lange ein Geheimnis und im nachhinein zieht die Autorin vielleicht so etwas wie ein Resümee im Versuch der Erzählung, die ich immer als ein tasten und suchen empfunden habe, als ein vorsichtig sein, achtsam und bedächtig. Aber genauso auch finde ich einen Willen zur Wahrheit, ein verstehen wollen und sich annähern, genauso wie ein sich neu finden in der Verortung innerhalb der Familienkonstellation die ja nach dem Lüften des Geheimnisses eine andere ist. Und wie es vielleicht manche Kinder und Enkel von Tätern erleben – dieser Schock das die geliebte oder gedacht gekannte Person eben auch jemand ganz anderes war. Was wissen wir Kinder und Kindeskinder schon? Das meiste was Wir wissen, wissen wir doch aus den Erzählungen, wenn denn überhaupt erzählt wird. Wieviel wird sich automatisch zusammengereimt aus kleinsten Andeutungen und kleinen Fragmenten um die herum man eine Geschichte wachsen läßt. Vermutlich der Ordnung halber? Oder um sich daran festzuhalten? Um nicht Ewig im suchen zu schwimmen? Wie schwer ist es sich dem Unglück der Vorfahren zu stellen, wie viel schwerer noch sich den Taten der Täter in der eigenen Familie. Der Großvater kam damals aus der russischen Gefangenschaft zurück… auch einer meiner Großonkels kam von dort wieder, sehr spät, so wie auch der Friedrich Stein, mit dem man schon gar nicht mehr rechnete. Seine Möbel waren verschenkt und in seinem Haus lebten Flüchtlinge… Sabine Rennefanz scheint mir soviel zu erzählen wie nötig aber nie mehr. Es bleibt viel Spielraum. Es wird viel in Andeutungen geschrieben, nichts schreckliches ausgesprochen. Und ist nicht gerade das die Stimmung die man auch kennt? Und die einem wenig Halt gibt? Die Andeutungen reichen und sind vielleicht auch gerade gut weil Raum bleibt für die eigene Geschichte. Das sind doch immer die besten Bücher, also die in denen man sich Selbst ein Stück weit wiederfindet. Und auch ist das schlimme doch gerade wenn es einen Selbst betrifft nicht immer aussprechbar, zumindest geht es mir so, und das finde ich auch gut so, das es schützt vor einer weiteren Entblößung. Und eins wird klar, wie sehr die Vergangenheit, auch wenn Sie geheim war, unser Leben heute prägt. Die Menschen prägt und die Art wie Sie leben. Ich bin so vertieft gewesen das ich mit meinen Markierungen gerade nicht viel anfangen kann und von daher hier auch nichts zitieren möchte. Die 3 Töchter von Friedrich weinen zusammen als er gestorben ist – das fand ich sehr ergreifend und schön, die Mutter der Mutter räumt alles aus dem Haus was Friedrich gehört hat… Das Buch spielt heute und gestern – an beiden Orten könnte man den Eindruck haben das von verschiedenen Personen die Rede ist, doch nur zusammen ist verständlich um was es geht. Es muß ein großer Schmerz gewesen sein für die Autorin, aber ich denke es ist auch sehr sehr heilsam darüber zu schreiben und die Geschichte zu erzählen. Das Buch hat mich sehr berührt. Die Umschlaggestaltung passt ganz wunderbar und ganz hinten auf dem Einschlag findet sich ein wirklich besonderes Foto der Autorin was ich mir lange angeschaut habe, wir sind fast derselbe Jahrgang. “Die Mutter meiner Mutter” empfinde ich ähnlich wichtig wie “Die Mittagsfrau“, es läßt sich aber leichter lesen und hinterläßt auch ein bisschen mehr Hoffnung. Diese Bücher sind auch eine Geschichte der Frauen. Und wir Enkelinnen spüren den Schmerz, nicht wie unsere Mütter die verdrängen, abspalten, nicht wissen wollen, so tun als ob und funktionieren und trotzdem alles an uns weitergegeben haben. Negieren hilft nicht, das ist klar, zumindest uns. Und doch ist gerade das eben auch eine Folge des Traumas das Dinge getrennt sind die ohne das Trauma eine Einheit bilden würden. Erzählte Geschichte. Die Politik der Kriege und der Unmenschlichkeit, wie Sie sich wiederfindet in den Familien, das wird einem klar mit solchen Büchern. Ich empfinde dieses Erzählen als essentiell für die deutsche Identität, auch für die Identität als Frau, denn ich bin auch alle meine Ahninnen, Sie sind alle in mir. Es spielt eine Rolle woher wir kommen. Die Mutter meiner Mutter Sabine Rennefanz 256 Seiten, 19,99 € Verlag: Luchterhand Literaturverlag

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