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Rezension zu
Wenn's brennt

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Geschichte einer langsamen Eskalation

Von: Thomas Lawall
24.04.2016

Erik trinkt zu viel, wie Mama, abends auf der Couch - "Wein gegen die Ödnis". Ansonsten ist ihm im Prinzip alles egal, ob es nun das Mittagessen, die Ausfahrten mit dem behinderten Bruder Tim, Vaters vierzig Jahre auf der Post, oder ab und zu der Urlaub sind. Und dann auch noch das tägliche Einerlei und die "dämlichen Tischgespräche" beim gemeinsamen Essen. Erik sieht keine Möglichkeiten, aus dem Fahrwasser des Gewöhnlichen auszubrechen. So wie seine Eltern möchte er nicht sein und trotzdem flackern hier und da erste Anzeichen auf, dass er wohl keine Wahl hat. Mit mittelmäßigen Schulnoten wird er nach seinem Abschluss auch auf der Post landen. Mit dem eigenen Geld wird er sich vielleicht den Dachboden ausbauen und irgendwann werden ihm "die Alten wegfaulen". Während er im Gegensatz zu seinem besten Freund Finn, der sich in Kurt-Cobain-Weisheiten zu verlieren droht, noch an Mittelwege glaubt, gerät er dennoch immer weiter in dessen Fahrwasser und rechtfertigt sein eigenes Mittelmaß mit dem vermeintlichen der Eltern in jenem "durchschnittlichen Kaff", dem "Bauspar-Haus" und seinem "Stechuhr-Vater". Selten so ein Buch gelesen. Selten ebenfalls, dass man sich Seite für Seite durchquält, schließlich die letzten Seiten stöhnend bewältigt, um sich dann letztlich zu freuen, dass man es doch noch geschafft hat, den Brocken zu Ende zu lesen. Dabei ist diese Geschichte so authentisch, wie sie nur sein kann. Stephan Reich bedient sich der aktuellen Jugendsprache und greift damit tief in die "Schatzkiste" jener Kommunikation und Ausdrucksformen, die Eltern in aller Regel verborgen bleibt. Es hagelt nur so von Formulierungen aus der Fäkalsprache. "Spackos" gibt es an jeder Ecke, es wird fleißig gekifft und gesoffen sowieso. Gleichzeitig hetzen die Erziehungsresistenten, teilweise nicht unbedingt zu Unrecht, gegen ihre Eltern, deren Lebensgewohnheiten und überhaupt den ganzen "Fetisch der Nachkriegsgeneration". Schwer verdaulich ist das Ganze schon, zumal die Kritik der Heranwachsenden durchaus an existenziellen Grundmauern rüttelt. Anstrengend sind aber auch die argumentativen Sackgassen, in die sie sich permanent verrennen. Jeder stellt für sich die Weichen in die jeweilige Zukunft und man ist sich sicher, es besser zu machen wie das spießige Erziehungspersonal. Andererseits werden bereits Gräben zwischen den Klassen ausgehoben, denn von den "Harzis" aus der Hauptschule will man sich schon abgrenzen und von den doofen Glatzen sowieso. Es gilt, den letzten Sommer vor dem Eintritt ins Arbeitsleben zu gestalten. Auf welch unkreative und destruktive Art und Weise dies geschehen kann, davon erzählt dieser Roman, eine Milieustudie, ein kurzes Stück Leben und die Geschichte einer langsamen Eskalation. Allerdings werden auch Erinnerungen an die eigene Jugendzeit fast zwangsläufig freigelegt. Wie war das noch gleich bei uns damals? Mit 16 fanden wir alles "geil", ganz im Gegensatz zu unseren Eltern. Und bis heute wissen sie nicht, was wir damals so alles getrieben haben. So schlimm waren wir allerdings nicht. Oder doch?

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