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Rezension zu
Die Mutter meiner Mutter

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Der Verrat an der Liebe

Von: Tanja Jeschke aus Stuttgart
02.06.2016

Rezension Sabine Rennefanz: Die Mutter meiner Mutter. Luchterhand Verlag 2015. 252 Seiten Von Tanja Jeschke Der Verrat an der Liebe „Die Mutter meiner Mutter“, das neue Buch von Sabine Rennefanz, ist kein Roman, liest sich aber wie einer. Spannend erzählt, sehr gut beobachtet, sprachlich schnörkellos, klar und dicht. Die Figuren gleichen hervorragend ausgedachten Romanfiguren, sie haben die brisanten Charaktere derjenigen, die eine Handlung tragen, sie weisen über sich selbst hinaus zum Großen, Ganzen des Lebens, sie tragen etwas bei zu einem Bild, das der Roman malt. Aber es ist ja keiner. Es ist ein literarisches Protokoll über die eigene Herkunft, aufgezeichnet anhand einzelner Fakten und Erlebnisse, die Sabine Rennefanz nach und nach herausfindet. Dabei geht es um die Mutter ihrer Mutter, Anna, die als Flüchtlingsmädchen im 2. Weltkrieg nach Kosakenberg kommt und mit dem Mann verheiratet wird, von dem sie ein Kind erwartet. Wie Anna zu diesem Kind kommt, verschlägt einem den Atem. Es ist die Beschreibung des Verlusts von Unschuld anhand einer Vergewaltigung, aber gleichzeitig geht Anna, das Opfer, selbst hinein in die Gefahr, sie sucht die Bedrohung, denn es ist in ihr selbst, was ihr von außen zustößt. Das Meiden des eigenen Willens, das ihr Lebenskonzept ist, spiegelt sich in ihrem Leben vor und nach dem Geschehen wider. In der starken Bildhaftigkeit der dörflichen Rituale und Gebräuche beim Schlachtfest und in der Schilderung des Blutvergießens zeigt Rennefanz eindrücklich den naturhaft sich gebärdenden Organismus aus Dorfbeziehungen und Nachkriegszeit, in den das junge Mädchenleben unwillkürlich hineingerät. Und immer geht es dabei um den Verrat an der Liebe. Liebe ist nicht möglich. Es gibt sie nirgends in den Beziehungen, schon gar nicht, wenn ein Kind entsteht. Ein grober Klotz aus tiefer Schuld scheint davorgerammt zu sein. Das Hochinteressante dabei ist, dass diese Schuld mit dem gerade vergangenen Krieg nichts zu tun hat, sondern unabhängig davon wirkt. Friedrich, der Klotz, der Anna schwängert, kommt aus dem Krieg unverändert und wohlauf zurück. Er hat kräftig rote Wangen, hat alles gut überstanden, während Anna das blutleere Opfer bleibt, dem alles Blut geraubt wurde. Dem Krieg kann man nicht die Schuld geben – so sagt das Buch, es ist der Mensch. Und doch bleibt Friedrich immer auch der vertraute Großvater, von allen ringsum geachtet und verehrt. Die Tat, die er einst begangen hat, erscheint wie etwas Brutal-Bedrohliches, das im Verfremdeten belassen bleibt, zum Schutz auch für all die, die mit Friedrich lebten. Die Enkelin Rennefanz deckt auf und deckt auch wieder zu. Ausgezeichnet gemacht!

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