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Rezension zu
Der Stift und das Papier

Was für Eltern!

Von: Tanja Jeschke aus Stuttgart
02.06.2016

Von Tanja Jeschke WAS FÜR ELTERN! Wir kennen ihn bereits aus den vorausgegangenen Romanen von Hanns-Josef Ortheil: Den hochbegabten 12-Jährigen, dessen Eltern den Verlust von vier Söhnen zu betrauern haben, die vor dem Nachzügler geboren worden sind und alle tragisch ums Leben kamen. Wir wissen vom Stummsein, in das der Knabe unwillentlich hineingezogen wurde als kleines Kind, weil die Mutter in Sprachlosigkeit versunken war. Ortheil hat uns daran schon in „Die Erfindung des Lebens“ und seinen Reisebüchern „Moselreise“ und „Berlinreise“ teilhaben lassen. Wie der große Ortheil hier seine eigene Kindheit in Köln und im Westfälischen beschreibt, ist grandios. Wie der kleine Ortheil den großen auf die schriftstellerische Spur bringt, noch grandioser. Was uns jedoch nun in „Der Stift und das Papier“ vorliegt, ist die eigentliche Trumpf-Karte, die er wie eine Überraschung aus dem Ärmel holt, um sich den ganz großen Gewinn zu holen. Verdient hat er ihn, denn dieses Buch ist wunderbar. Verdient haben ihn aber vor allem seine Eltern, vor denen hier ausdrücklich der Chapeau gezogen sei: Dass Ortheil der Literatur diese Eltern schenkt, ist vielleicht sein größter Verdienst. Sie sind so, wie Eltern sein sollten, wie sie es aber doch, normalerweise, nie sind, weder im Leben noch in der Literatur. Ja, es scheint doch vielmehr so, als würden nur schlechte Eltern zu wahrem Stoff taugen, über den sich schreiben lässt. Von ungerechten, abwesenden, kalten Eltern wimmelt es nur so in den Büchern. Aber gute Eltern: Wer kann davon ein Lied singen, das sich hören lässt? Ortheil kann es, und zwar deshalb, weil er sie offensichtlich und tatsächlich gehabt hat. Sie haben alles getan, damit sich ihr Junge in dieser Welt zurecht findet. Die Sprache haben sie ihm nahegebracht, so nahe, dass die Begriffe und Dinge wieder eins wurden für ihn und er seinen eigenen Ausdruck, sein eigenes Schreiben fand, in einer Weise, die ihn zum Schreiber par excellence machte. Sie haben ihn unterrichtet im Wissen um die Wörter, um Sprache als umfassenden Weltgehalt. Eltern der Sprache waren sie und er ein Schüler, der mit Hingabe und Neugier lernte. „Schreiben ist für mich ein durch und durch kindlicher Akt, der aus dem stummen Dunkel in eine lebendige, helle Gegenwart führt“, sagt Ortheil zum Schluss.

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