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Rezension zu
Anatomie einer Affäre

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Flotte Gesten und alter Zwieback

Von: Tanja Jeschke aus Stuttgart
02.06.2016

Von Tanja Jeschke Geliebte können ausgewechselt werden, Kinder nicht, weißt Gina, die Ich-Erzählerin in Anne Enrights neuem Roman „Anatomie einer Affäre“, erschienen bei DVA. Dennoch wechselt sie ihren Geliebten Séan keineswegs, dessen Tochter Evie unter mysteriösen Anfällen leidet, die bei näherer Betrachtung vermutlich Epilepsie genannt werden könnten. Aber Ginas Affentempo, mit dem sie durch dieses Buch rast, lässt so etwas wie nähere Betrachtungen nicht zu. Zwar versucht sie unablässig die Umstände ihres äußeren und inneren Beziehungslebens zu erkunden, aber ihre irische Autorin Enright stattet sie mit einem Mundwerk aus, das zu schlampig gezogenen Schlussfolgerungen neigt, zu flotten Gesten, rasanten Erklärungen, und so erweckt sie immer nur den Anschein, Triftiges zu sagen zu haben, kommt aber nicht wirklich ans Licht damit. Wenn eine Affäre zu einem verheirateten Mann mit einem Blick auf seinen Hinterkopf beginnt, kann nichts nebensächlich sein, was danach geschieht. Aber die Steigerung kommt nicht. Sie wird nur als etwas Verheißungsvolles in die Sätze gestreut wie ein scharfes Gewürz, das das ganze Essen bestimmt. Dass Gina mit diesem Stilmittel den Charakter einer Affäre schlechthin beschreibt, ist ihr vermutlich selbst nicht bewusst. Sie scheint es ernst zu meinen und poliert den Hotelzimmer-Glorienschein ihrer Liebe, ungeachtet dessen, dass die Alltagsrealität alle längst eingeholt hat. Mit vergnüglicher Lakonie gibt sie zu, dass nach der ersten Begegnung mit IHM „fast ein weiteres Jahr verging, bis wir zu dreisten Tat schritten“ und „Auch den Himmel zerrten wir herab, bis er uns wie ein Tuch bedeckte“. Zwar erstickt keiner darunter, aber allein die Geschichte um Evie schafft es, als roter Baumwollfaden das löchrige Gewebe der Lovestory zu durchziehen. Am Schluss machen Gina und Evie allein einen Einkaufsbummel, und der wirkt handfest wie Lippenstift. Anne Enright hat bereits in ihrem letzten Roman „Das Familientreffen“ gezeigt, was knallharte Sprache tut: sie lässt Beziehungslügen zerbröckeln wie alten Zwieback, auf den man mit der Faust haut. Und weh tut das auch.

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