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Rezension zu
Berlin 1936

BERLIN 1936

Von: Janine
04.07.2016

Egal, ob man sie mag oder nicht, Sportgroßereignisse lässt sich schwer aus dem Weg gehen. Olympiaden und Fußball-Meisterschaften bestimmen in einem festen Turnus immer wieder die Berichterstattung und lassen Zuschauer verschiedenster Nationalitäten mit fiebern. In seinem Buch Berlin 1936 nimmt der Historiker Oliver Hilmes den Leser mit zu solch einem Großereignis: Den Olympischen Spielen in Berlin. Warum sollte man sich mit einem Sportereignis beschäftigen, dass achtzig Jahre zurück liegt? Berlin ist 1936 eine Metropole der Gegensätze. Die Nationalsozialisten sind bereits seit drei Jahren an der Macht, Juden und andere Minderheiten werden zunehmend verfolgt und Vorbereitungen für einen Krieg getroffen. Durch die Olympischen Spiele bietet sich dem Regime nun die Möglichkeit einer Selbstinszenierung als friedliches, weltoffenes Deutschland. So schön die Vorstellung von „es geht nur um den Sport“ auch wäre – es steckt jede Menge Kalkül und politische Taktik dahinter. „Ein Redakteur des Berliner Lokal-Anzeigers beweist vermutlich eher unfreiwillig feinen politischen Humor, als er seinem Artikel über die aktuelle Scala-Saison eine Überschrift voranstellt, die auch auf die gesamten Olympischen Spiele gemünzt sein könnte: „Herrliche Welt des Scheins.““ – S. 132 Hilmes teilt sein Buch in die sechzehn Augusttage der Spiele ein und lässt sie anhand verschiedener Anekdoten und Persönlichkeiten Revue passieren. Das Text ist episodenhaft, einigen Personen wie dem Schriftsteller Thomas Wolfe begegnet man als Leser aber immer wieder. Eine große Stärke des Buchs ist es, dass nicht nur bekannte Persönlichkeiten aufgegriffen werden, sondern auch normale Bürger, die teilweise ganz andere Sorgen und Nöte haben als das Abschneiden der Deutschen im Medaillenkampf. Hier gibt es den Jungen, der dem Stadionbesuch mit seinem Vater entgegenfiebert, genauso, wie den Transvestiten, der in ständiger Angst vor Denunziation und Verfolgung lebt. Natürlich wird auch von einigen Wettkämpfen berichtet, aber Hilmes Hauptaugenmerk liegt tatsächlich eher auf dem Leben in der Stadt. Ergänzend gibt es neben den einzelnen Episoden den täglichen Wetterbericht, Anweisungen der Reichspressekonferenz, Meldungen der Staatspolizeistelle Berlin, einige Fotografien sowie Auszüge aus Goebbels Tagebuch. Zum Schluss erläutert Hilmes in einem weiteren Kapitel, wie es mit einigen der vorgestellten Personen nach den Spielen weiterging. Mich hat das Buch direkt von der ersten Seite an gefesselt. Ich wusste im Vorfeld nicht besonders viel über die Spiele, aber Hilmes schafft es gut, einen direkt in den August 1936 mitzunehmen.Durch die verschiedenen Episoden ergibt sich nach und nach ein spannendes Ganzes: Vor allem die Ambivalenz zwischen dem, was die Ausländer und die Deutschen selber wahrnehmen, fasziniert dabei ungemein. Genauso fasziniert haben mich die Beschreibungen des Nachtlebens und der verschiedenen Parties in der Stadt, gerade, da sowas meist nicht in Sach- und Geschichtsbücher Einzug hält. Obwohl schon unheimlich viel Material zum Dritten Reich existiert, wirkt Hilmes Buch frisch und vermittelt noch nicht gehörtes. An ein paar Stellen hätte ich mir vielleicht mehr Bildmaterial gewünscht, aber dieses kleine Manko wäre auch mein einziger Kritikpunkt. Wer ein Buch sucht, dass die Olympischen Spiele von 1936 im kleinsten Detail Revue passieren lässt, wird mit Berlin 1936 nicht gut bedient – wer sich dagegen mehr für das Drumherum interessiert, und wie durch Propaganda ein schöner Schein aufgebaut wird, ist bei Hilmes Buch genau richtig.

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