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Rezension zu
Bobby

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Small Mercies – Eddie Joyce: Bobby

Von: letteratura
10.07.2016

„Small Mercies“, kleine Barmherzigkeiten, kleine Gnaden, es mag sie geben für die Mitglieder der Familie Amendola, für die sich alles verändert hat. Man kann ihr Leben einteilen in ein Davor und Danach, und der Scheitelpunkt dieser beiden Zeiten ist der 11. September 2001, an dem Bobby, der jüngste von drei Söhnen als Feuerwehrmann bei der Ausübung seines Berufs in den Zwillingstürmen ums Leben kam. Er hinterließ seine Eltern, die irischstämmige Gail und Michael, dessen Familie aus italienischen Einwanderern besteht, seine beiden älteren Brüder Franky und Peter und seine Frau Tina, mit der er bereits Tochter Alyssa hatte und die mit seinem Sohn schwanger war, als die Anschläge passierten. Er wird nach seinem Vater benannt werden: Bobby junior, der seinen Vater nur von Fotos und aus Erzählungen kennt. „Bobby“ ist der Debütroman des Amerikaners Eddie Joyce, der wie seine Romanfiguren aus Staten Island kommt, und der wie Peter Amendola, ältester Bruder Bobbys, lange Zeit als Anwalt tätig war, bevor er sich dem Schreiben widmete. Die Passagen, die in Peters Arbeitsumfeld, seiner Kanzlei spielen, sind so unmittelbar, so realistisch wie alle anderen – vielleicht findet sich in der Biographie des Autors eine Begründung hierfür, wenn die Welt der Justiz so fesselnd und eindrücklich auf den Leser wirkt. Peters Geschichte ist aber nur ein Beispiel von vielen dafür, dass Joyce mit diesem Roman mit dem unspektakulären Titel, der zunächst gar nicht in die Richtung zu weisen scheint, in die die Geschichte sich eigentlich bewegt, ein großer Wurf gelungen ist. „Bobby“, ein Spitzname, der einen Leser, der sonst nichts über das Buch weiß, erst einmal keine weiteren Anhaltspunkte gibt – die deutsche Titelwahl ist eher unglücklich. Der Roman aber ist gelungen. Schon nach wenigen Seiten weiß er zu fesseln und gefangen zu nehmen mit der Art und Weise, wie Joyce dem Leser die einzelnen Familienmitglieder nahe bringt. Er widmet jedem von ihnen einzelne Kapitel, erzählt die Geschichte komplett im Präsens, auch wenn er weit in die Vergangenheit abtaucht, so dass man nicht nur dadurch, sondern auch durch seine oft knappe, sehr treffende Sprache (die auch mal etwas derbe wird, wobei die Dosierung stets die richtige ist), immer unmittelbar bei den Figuren ist und mit ihnen am Tisch zu sitzen scheint und sie direkt beobachtet. Denn das beherrscht der Autor: Seine Figuren beobachten und sie für den Leser lebendig machen. 9 Jahre ist es her, als die Geschichte damit einsetzt, dass Tina, Bobbys Witwe, Gail verkündet, dass sie einen neuen Freund hat. Gail und Tina haben zusammen getrauert, sie haben sich gestützt, wo es möglich war, sie haben sich gegenseitig Geschichten von Bobby erzählt, die die andere noch nicht kannte. Gail weiß, dass Tina lange allein war und es egoistisch ist, sich zu wünschen, dass nie ein anderer den Platz ihres Sohnes einnimmt – und geht das überhaupt? Niemand kann Bobby ersetzen. Gails Gefühle sind widersprüchlich, denn natürlich möchte sie Tina das neue Glück von Herzen gönnen. Bobbys Eltern, seine Brüder, Tina, sie alle haben feststellen müssen, dass die Welt sich einfach weiter dreht, obwohl sie doch für sie stehen geblieben ist. Peter ist erfolgreicher Anwalt und manövriert sich selbst eine faustdicke Ehekrise und Franky, der immer so etwas wie Bobbys bester Freund war, ist nach Bobbys Tod abgestürzt, er trinkt zu viel, kriegt nichts auf die Reihe, wurde wegen Körperverletzung angezeigt. Joyce gelingt es eindrücklich, darzustellen, wie das ist: Die Welt dreht sich weiter, aber die Trauer bleibt. Alle gehen auf ihre Weise mit dem Verlust um, niemand von ihnen hat er nicht verändert. „Er [Peter] hatte es geschafft und den Berggipfel erklommen, und jetzt lag ihm die Welt zu Füßen. Er war Partner einer der renommiertesten Anwaltskanzleien des Landes. Und Bobby war trotzdem tot.“ S. 129 Eddie Joyce’ Roman „Bobby“, greift ein Thema auf, das es so oder ähnlich schon oft in der Literatur gegeben hat. Tatsächlich ist es gar nicht so entscheidend, dass Bobby bei den Anschlägen des 11. September umgekommen ist, da diese und deren Hintergründe nur ein Randthema des Romans sind. Wichtiger dabei ist, dass sein Tod aus heiterem Himmel kam, dass er zur falschen Zeit am falschen Ort war, auch, dass es Verantwortliche gibt, die ihn auf dem Gewissen haben, auch wenn man diese nicht eindeutig benennen kann, dass sich das Klima in den USA gewandelt hat. In erster Linie ist „Bobby“ aber die Geschichte einer Familie. Einer Familie mit Problemen, wie sie überall vorkommen, mit guten und schlechten Zeiten zwischen Eheleuten, mit Konflikten zwischen Generationen, mit allem, was dazu gehört. Und mit einem Verlust so groß, dass er kaum in Worte zu fassen ist. Joyce schafft es trotzdem, die Trauer zu vermitteln und den Leser spüren zu lassen. „Bobby“ ist aber kein nur trauriges Buch. Es gibt schließlich immer wieder die kleinen Barmherzigkeiten. Und die Gewissheit, dass es irgendwie weitergeht, obwohl die Zukunft manchmal beängstigend ist, wo die Vergangenheit so unbarmherzig war. „Die Liebe schützt Dich nicht; sie setzt dich aus.“ S. 394

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