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Rezension zu
Die Unglückseligen

Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen

Von: Yvonnen
03.09.2016

Ansprechend gestaltet und durch das Cover des Buches stilvoll in Szene gesetzt, führt die Umarmung einer jungen Frau und eines Skelettes bereits bildlich zu der Thematik Leben und Tod in dem Roman „Die Unglückseligen“ von Thea Dorn hin. Die deutsche Molekularbiologin Johanna Mawet will darin durch genetische Manipulationen den unsterblichen Menschen schaffen und trifft eher zufällig in Amerika auf den 1776 geborenen Physiker Johann Wilhelm Ritter. Während der 240jährige hofft, dass die Wissenschaftlerin ihn von seiner Lebensodyssee endlich erlösen kann, will Johanna mit seiner Hilfe den Code der Sterblichkeit knacken. Von schwarzer Romantik und wissenschaftlichem Streben beseelt, führt beide der Weg zurück nach Deutschland und in eine ebenso verzweifelte wie besessene Suche nach Antworten. „Die Unglückseligen“ ist ein nachdenklicher Wissenschaftsroman, der mich nebst liebevoller und ansprechender optischer Gestaltung auch durch teilweise humor- und gefühlvolle sowie gefühlsbetonte Sprache längst vergangener Zeiten zu begeistern wusste. Jedes neue Kapitel ist mittels römischer Ziffern durchnummeriert und beginnt danach mit einem schmückenden Anfangsbuchstaben (Initial), was optisch das zumeist aus der Goethezeit stammende Sprachflair dieses Buches unterstreicht. Während Ritter und eine altertümlich anmutende Erzählstimme, die zwischendurch immer wieder kommentiert und bewertet, sich eine weitschweifige Darstellungs- und Erzählweise teilen, die an die Schriften der Romantiker erinnert, drückt sich Johanna Mawet in moderner Sprache aus. Bei Dialogen in Amerika, gestalten sich die Texte zu einem Mischmasch aus Deutsch und Englisch. Auf eine Übersetzung wird hier verzichtet, was jedoch für mich den Lesefluss nicht gestört hat. Schwer getan habe ich mich hingegen mit Dialogen, die in bayrisch oder schwäbisch abgehalten wurden. Da half nur langsames lesen weiter, was dennoch Lesespaß bereitete , da dies die betreffenden Figuren lebhafter machte. Für Auflockerung sorgten auch gelegentliche Einschübe von Briefen, Auszügen aus einem Lehrbuch oder der Wahrnehmung einer kleinen Fledermaus, die sich durch unterschiedliche Schriftarten vom normalen Text abgrenzten. Auch eine Szene wie aus einem Comic und ein mitsamt Noten abgedruckter Liedtext sorgen für Abwechslung. Endlose Buchstaben-, Zahlen- und Zeichenkolonnen machen die Genomfragmente als undurchschaubar erlebbar. Insgesamt behandelt das Buch eine interessante Thematik, auch für Menschen, die weder der Molekularbiologie noch der Physik verfallen sind. Wurde es für mich persönlich zu wissenschaftlich und nicht verstehbar, tat dies dem Gesamtverständis des Buches dennoch keinen Abbruch. Wichtiger waren für mich die leidenschaftlichen Gespräche zwischen Ritter und Johanna, die die unterschiedlichen Standpunkte nachvollziehbar machten. Durch die Wechsel zwischen Realität und Erinnerung, klärte sich im Verlauf des Buches Ritters Vergangenheit zu Teilen auf. Wunderbar auch, wie nebenbei ein skuriles Gesellschaftsbild gezeichnet wurde, in dem nicht nur der Jugendwahn zweifelhaft ist. „Die Unglücksseligen“ ist für mich ein durch und durch besonderes Buch, das sich nicht so nebenher lesen lässt, da es dem Leser doch einiges an Konzentration, Flexibilität und Sprachvermögen abverlangt. Etwas Vergleichbares habe ich bislang nicht gelesen und so wird es mir sicherlich noch lange in guter Erinnerung bleiben.

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