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Rezension zu
Die Unvollkommenheit der Liebe

Zwischen Mutter und Tochter

Von: letteratura
23.09.2016

Zwischen Mutter und Tochter – Elizabeth Strout: Die Unvollkommenheit der Liebe Lucy Barton liegt mit einer gefährlichen Infektion, deren Ursache die Ärzte nicht finden können, für längere Zeit im Krankenhaus. Die beiden kleinen Töchter sind mit dem Ehemann zu Hause. Aber ihre Mutter kommt sie besuchen, die Lucy lange nicht gesehen hat. Viel Unausgesprochenes steht zwischen ihnen. Lucy kommt aus armen Verhältnissen und ging schließlich nach New York, was ihre Familie ihr übel nahm. Auch, dass sie einen Mann mit deutschen Vorfahren heiratete, sorgte für Probleme: Lucys Vater schleppt eine Erinnerung aus Kriegsjahren mit sich herum, eine Erinnerung, in der Deutsche eine große Rolle spielen und mit der er nicht fertig wird. Lucys Mutter sitzt nun Tag für Tag ihrem Krankenbett, scheint fast nie zu schlafen, gönnt sich nur kleine Nickerchen. Die beiden reden und reden. Dabei geht es zunächst fast nie um sie selbst, sondern stets um Leute aus Lucys Heimatstadt und dem, was ihnen passiert ist. Klatsch und Tratsch sozusagen, wobei die meisten dieser Geschichten ein schlechtes Ende haben, von Leid, Betrug oder einfach Pech handeln, von Lebensentwürfen, die nicht erreicht wurden, von Versprechungen, die nicht gehalten wurden. Doch natürlich ist das nicht alles. Elizabeth Strout schafft es in ihrem neuen Roman „Die Unvollkommenheit der Liebe“ wieder einmal meisterhaft, eine tiefsinnige Geschichte zu erzählen, bei der es im Kern weniger um die anderen Menschen, über die Lucy und ihre Mutter reden, geht, sondern vor allem um sie beide, um ihre Beziehung, um ihre Unfähigkeit, sich direkt zu sagen, was in ihnen vorgeht und was sie sich bedeuten. Sie schaffen es trotzdem, sie haben Wege der Kommunikation gefunden, die es ihnen ermöglichen. Strout lässt Lucy die Geschichte selbst erzählen, die Geschichte ihres Lebens, das sie nach ihren Wünschen lebt – sie hat es geschafft, der armen Kleinstadt zu entkommen – und doch kann sie ihre Herkunft nie hinter sich lassen, nicht ablegen, was sie geprägt hat. Strout wäre nicht Strout, wenn da nicht neben dem, was auf der Handlungsebene passiert, neben dem, was Lucy uns Lesern direkt erzählt, worüber sie nachdenkt und uns teilhaben lässt, noch jede Menge anderes mitschwingen würde. Dabei ist ihre Sprache durchaus knapp, der Roman nur ca. 200 Seiten lang, doch er erreicht eine große Tiefe, ohne dabei auf viele Worte angewiesen zu sein. Ein weiteres Thema in Strouts Roman ist das Schreiben. Lucy erzählt ihre Geschichte als Schriftstellerin, nicht ohne die Einflüsse einer anderen Autorin zu erwähnen und zu erläutern und auch das eigene Geschriebene zu reflektieren. Interessante Einblicke sind das, die gegeben werden und die gleichzeitig das Bild von Lucy, das gezeichnet wird, abrunden. „Die Unvollkommenheit der Liebe“ ist ein Titel, der mich das Buch wohl nicht hätte lesen lassen, wäre es nicht von Elizabeth Strout. Im Original heißt der Roman schlicht „My name is Lucy Barton“. Es wird Gründe geben, warum man sich dagegen entschieden hat, diesen Titel zu übersetzen. Der deutsche Titel passt zwar sehr gut zu der schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung, die im Zentrum der Geschichte steht, ist mir aber dennoch zu kitschig und zu schwammig. Für den deutschen Titel kann Frau Strout natürlich nichts. Sie zeigt auch in ihrem neuesten Roman, dass sie eine Meisterin der Melancholie ist, einer Melancholie, die stets auch Hoffnung für ihre Figuren beinhaltet. Strout erzählt von Menschen und von Menschlichkeit, und sie macht das klug, warmherzig und dabei äußerst unterhaltsam. Ich hoffe auf noch viele weitere Romane dieser Autorin.

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