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Rezension zu
Vor dem Fall

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Absturz mit vielen offenen Fragen

Von: Michael Lehmann-Pape
04.10.2016

Scott Burroughs hat sein Leben „neu erfunden“. Vor zwei Jahren, als er 46 Jahre alt war. Bis dahin ein Maler mit Talent, vielleicht, der nicht wirklich bemerkenswertes für die Kunstinteressierten der Welt zustande gebracht hatte. Doch seit diesem Zeitpunkt hat er nicht nur sein Übergewicht in den Griff bekommen und sein tägliches Schwimmtraining aus Jugendzeiten wiederaufgenommen, sondern auch Inspiration erlebt. Der er zwei Jahre lang nachgegangen ist. Und nun stehen entscheidende Termine in New York mit einer Galeristin an, nun könnte es was werden. Da nimmt er gerne die Einladung an, statt mit der Fähre mit einem Privatjet nach New York einzufliegen. Und wird 18 Minuten später froh sein, dass er so gut in Form ist. Was das Schwimmen angeht. Der Jet stürzt ab und Scott schwimmt stundenlang durch den Atlantik zur Küste. Auf dem Rücken den vierjährigen JJ, außer ihm der einzige Überlebende. Ein Unglück, wie es selten passiert, aber passieren kann. Oder gar kein Unglück? Diese, entscheidende, Frage wird lange im Roman offenbleiben. Denn in aller Ruhe geht Hawley abwechselnd den verschiedenen Personen, die an Bord waren, nach. Entwirft kleine Portraits (im Übrigen von fast jedem, der im Roman vorkommt, sei es der Leiter der Rettungsmission, sei es ein Freund Scotts, sei es eine Kunstmäzänin in New York). Und bei einigen der an Bord befindlichen Männern stimmt so einiges nicht im Vorfeld des Absturzes. Bateman, Leiter eines Nachrichtensenders, der durch einen seiner selbstverliebten, investigativen Journalisten massiv Ärger auf sich zukommen sieht. Kipling, der jeden Dollar sauber bekommt, für den Geld nur ein Instrument ist, dessen Quellen ihm in seiner „Geld-Verwertungsfirma“ völlig egal ist. Aber nun in das Fadenkreuz der Finanzbehörden geraten ist. Und schlimmer, in den geschärften Blick mindestens eines der „Investoren“. „Wichtig ist das Geld. Wenn sie ins Gefängnis gehen müssen, gehen sie ins Gefängnis. Und wenn sie das Bedürfnis verspüren, sich aufzuhängen….vielleicht ist das auch keine schlechte Idee“. Oder hat einer der Piloten oder die Flugbegleiterin noch irgendwelche Rechnungen offen? Und wenn dann noch die Worte des Fahrers des Tanklastwagens am Flughafen im Raume schwingen, „ich würde damit nicht fliegen wollen“, dann deutet sich in der ersten Hälfte des Romans an, dass hier andere Hintergründe als ein simples, technisches Versagen Ursache des Absturzes sein könnten. Wofür auch Erinnerungsfetzen in Scotts Kopf sprechen würden. Die aber zusammenhanglos und eher assoziativ in seinem Gedächtnis aufblitzen. Während er zugleich versucht, seine Ambitionen als Maler nicht aus dem Kopf zu verlieren. Direkt und klar erzählt Hawley, ohne viel Federlesen und dabei sehr ausführlich vor allem über sein „Personal“. Das hat eine gewisse Breite, die hier und da in Länge ausartet. Seiten, die man geneigt ist, zu überblättern, um beim roten Faden der durchaus spannend gestalteten Geschichte des Absturzes selbst zu bleiben und nicht eine der Ehefrauen eines der Männer an Bord beim Shoppen zu begleiten. Dennoch, Kleinigkeiten könnten wichtig sein, was einerseits die Aufklärung des Absturzes angeht, was aber andererseits auch die moderne Medien- und Finanzwelt angeht. Denn auch den Medienrummel um Scott als „Helden“, zunächst und die verschiedenen Hintergründe der Geschäfte mancher Passagiere stellt Hawley überaus spannend und unterhaltsam dar. Bis hin dazu, dass der Leser selbst misstrauisch wird im Blick auf diesen Scott und seine Motive. Und gegenüber den Mitteln, mit denen einer der Journalisten im Buch arbeitet. Was ein Vorgang ist, der im 24 Stunden Nachrichten- und Informationszyklus der Gegenwart den Leser deutlich daran erinnert, wie wenig Fakten eigentlich noch zählen und Vermutungen zu Wahrheiten werden können. Unterhaltsam erzählt mit einer intelligent konstruierten Geschichte bildet „Vor dem Fall“ solide und gute Unterhaltung, trotz mancher Längen und teils zu vieler Perspektiven.

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