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Rezension zu
Beides sein

Virtuoser Roman um Gegensätze und Gemeinsamkeiten

Von: letteratura
11.11.2016

George, ein Teenagermädchen, hat unerwartet ihre Mutter verloren. Sie versucht, mit dem Verlust zurechtzukommen, ihn überhaupt erst einmal zu begreifen. Ihr Leben geht weiter, sie geht zur Schule, schließt eine neue Freundschaft und lebt mit ihrem Vater und ihrem kleinen Bruder Henry zusammen im heutigen England. Immer wieder erinnert sie sich an eine Italienreise, die sie mit dem Bruder und der Mutter ungefähr ein Jahr zuvor gemacht hat. In Ferrara gab es ein Gemälde, das George besonders beeindruckt hat. Es wurde gemalt von Francescho del Cossa (im Roman in dieser Schreibweise), von dem kaum etwas bekannt ist, außer, dass er, nachdem er seine Arbeit abgeliefert hatte, der Meinung war, dass sie viel besser sei als die der anderen und er daher mehr Geld dafür verlangte. Es ist dieser Francescho del Cossa, über den der zweite Teil des Romans „Beides sein“ von Ali Smith erzählt. Ca. 500 Jahre geht es in der Zeit zurück in das Leben des jungen Malers und zu seinem Weg zum Erfolg, der nicht einfach war. Beide Teile des Romans tragen die Kapitelvorzeichnung Eins: Die Reihenfolge, in der man die Teile liest, ist somit einerlei. Sowieso wartet „Beides Sein“ nicht mit einer stringenten Handlung auf, immer wieder ist die Geschichte assoziativ, wir springen in die Vergangenheit und zurück, Wichtiges wird wie nebenher fallengelassen. Besonders beeindruckt hat mich, wie Smith die Trauer der jungen George um ihre Mutter in Worte fasst, wie sie diese nicht beschreibt, sondern zeigt, durch die imaginären Dialoge, die sie mit der Mutter führt, durch die schlagartigen Erinnerungen, die George überfallen, durch kurze Einschübe, unvermittelt, aber treffend. So habe ich den Teil, der sich um George dreht, denn auch als den zugänglicheren empfunden. Obwohl man durchaus einige Seiten braucht, um sich auf den etwas sperrigen Roman einzulassen, auf Smiths ganz eigenen Ton, in dem sie erzählt, hat Georges Geschichte mich sehr gepackt. Den Teil um Francescho del Cossa habe ich als weniger mitreißend empfunden, was womöglich am schwerer fassbaren Charakter lag – vielleicht passt es auch zu dem Umstand, dass wir uns hier so viele Jahre zurückbewegen in eine Zeit, die der unseren so viel ferner ist. Insgesamt bietet der Roman jede Menge Interpretationsspielraum, regt zum Nachdenken an. Einige Themen ziehen sich durch beide Geschichten, vor allem Fragen nach der Identität und dem Geschlecht. So wird George immer mit dem männlichen Vornamen angesprochen, obwohl sie ein Mädchen ist und auch Francescho ist nicht, was er zu sein scheint. Der englische Originaltitel lautet „How to be both“ und ist somit recht nah an seiner deutschen Übersetzung. Beides sein, beides sein können, daran kann man sich beim Lesen orientieren. Wie sehr werden wir in Geschlechtertypen gedrängt, wie wichtig sind solche Zuschreibungen wirklich? Ali Smith ist eine Autorin, die mutig genug ist, sich alle Freiheiten zu nehmen, die sie benötigt, um ihre Geschichte so zu erzählen, wie sie es möchte und die ihren Lesern zutraut, sich darin zurechtzufinden. Eine weitere Rezension ist bei schiefgelesen zu finden, wo ich immer wieder daran erinnert wurde, doch endlich Ali Smith zu lesen, die schon lange auf meiner Liste stand. Vielen Dank dafür! Ich werde diese talentierte Autorin im Auge behalten und freue mich auf mehr von ihr.

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