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Rezension zu
Libellen im Kopf

Jeder lebt in seiner eigenen Welt

Von: Frau Goethe
14.11.2016

Abby will sich nur schnell eine Dosen Tomaten von ihrem Nachbarn borgen. Dieser harmlose Wunsch löst eine Reihe von Folgen aus, die niemand vorhersehen konnte. Als sie bei Simon klingeln will, fällt ihr die offene Tür auf. Sie geht in die fremde Wohnung und findet ihren Nachbarn tot im Sessel. Statt sofort den Notarzt zu rufen, überlegt sie eine Zigarettenlänge, was zu tun ist. Ihrem Freund Beck erzählt sie anschließend unaufgeregt von ihrer Entdeckung und erklärt sich ihr Verhalten damit, dass sie Simon nicht gut kannte. Als Journalistin berichtet Abby darüber in einem persönlichen Zeitungsbericht, der negative Reaktionen hervorruft. Auch ihre Schwester bemerkt die Veränderungen von Abby und empfiehlt ihr, mit ihrer Therapeutin zu sprechen. Was wie das Ende einer Geschichte klingt, ist allerdings erst der Anfang. Gavin Extence kreiert in seinem Roman nach „Das unerhörte Leben des Alex Woods“ erneut eine außergewöhnliche Situation, mit der seine Protagonistin zurecht kommen muss. Dabei werden alle Arten von Emotionen angesprochen. Aus Abbys sicht erlebt der Leser ihre Gefühlsschwankungen mit. Was zunächst alltäglich aussieht, lässt uns beim zweiten Blick aufhorchen. Abbys Erzählung und das Verhalten ihres nächsten Umfelds wollen nicht recht zueinander passen. Als Journalistin bekommt sie zwar Aufträge, wie es üblich ist, aber man kann schon merken, dass es sie große Mühe kostet, ihren Job souverän zu erledigen. Ebenfalls in den Gesprächen mit ihrer Schwester und ihrem Freund erkennt man Differenzen zwischen dem Gesagten und Abbys Erinnerungen. Das gesamte Bild setzt sich aus vielen Mosaiksteinen zusammen und lässt einen Blick auf einen Menschen zu, der psychisch erkrankt ist. Der Auslöser ist hier eindeutig das Auffinden des toten Nachbarn, der die Symptome schneller hervortreten lässt. Da die Geschichte hier ihren Anfang hat, ahnt der Leser nichts von Abbys bisherigem Schicksal. Die Perspektive macht deutlich, wie sie sich selber sieht. In ihrer Welt lassen sich die Probleme noch durch ein paar Worte lösen. Leider ist das nicht so. Abby wird stationär eingewiesen und lernt, Verantwortung für sich zu übernehmen. Dass diese Beschreibungen nicht aus der Luft gegriffen sind, wird im Nachwort deutlich. Die Charaktere sind detailliert gezeichnet, sodass man auch die kleinsten Stimmungen zwischen den Zeilen nachfühlen kann. Durch die Ich-Form kommt man sehr nah an Abby heran und ist ihr natürlich am meisten verbunden. Aber auch Beck kann Empathie gewinnen, da er mit dem Auswirkungen am meisten getroffen ist. Das Leben in der Klinik wird vor allem von der aufkommenden Freundschaft zu einer weiteren Patientin dominiert. Hier verlangt der Autor viel von seinen Lesern, da die Gespräche der beiden eine Welt beschreiben, die den meisten verschlossen bleibt. Alles passt mit den Tabus und sensiblen Themen zusammen und lässt das Buch spannend wie ein Krimi werden. Der flüssige Erzählstil rundet das Leseerlebenis weiter ab. Der britische Autor hat bereits mit seinem Debüt ein hohes Niveau vorgelegt, das er mit seiner zweiten Veröffentlichung mühelos halten konnte. „Libellen im Kopf“ ist wieder ein Lesetipp.

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