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Rezension zu
Über mir der Himmel

Ein durchwachsenes Debüt

Von: Isabella
20.11.2016

An Über mir der Himmel habe ich mal wieder gemerkt, wie sehr sich mein Blick auf Young Adult-Bücher verändert hat. Nicht, dass ich jetzt "zu alt" dafür bin. Aber gerade durch regen Austausch in letzter Zeit und vieler interessanter Artikel rund um Dinge, die ich sonst immer nur so hingenommen habe, habe ich doch einiges dazu gelernt - und einiges realisiert. Jandy Nelsons Bücher wurden gefühlt immer und überall gepriesen. Deshalb freute ich mich sehr, ein Rezensionsexemplar von Über mir der Himmel zu erhalten, freute mich auf ein grundsätzlich eher leichteres Jugendbuch, das mich doch irgendwo berührte. Ein leichtes Jugendbuch fand ich, berührt wurde ich leider nicht wirklich. Und auch jetzt versuche ich immer noch, zu rekonstruieren, wieso es mit mir und Über mir der Himmel nicht so wirklich klappen wollte. Zuallererst hatte ich ziemliche Probleme mit unserer Protagonistin Lennie. Sie ist eines dieser unscheinbaren Mädchen, das immer im Schatten ihrer Schwester stand (und beschreibt sich selbst so), und eines Tages aus heiterem Himmel zum Jungenmagneten wird. Ich hätte darüber vielleicht noch hinweg gesehen, wenn es nur das gewesen wäre - aber teilweise ließ sie Dinge von sich, die ich einfach nur noch als bedenklich empfand. (Zum Beispiel, dass sie mit siebzehn Jahren "nur drei Jungen" geküsst habe.) Was das Fass letztendlich zum Überlaufen gebracht hat, war Geschichte mit den zwei Jungs. Okay. Man kann darüber streiten, wie schräg es ist, dass sie etwas mit Toby anfängt, dem Freund ihrer toten Schwester - wohlgemerkt einem Jungen, der sie vorher noch nie bemerkt hat. Weil unscheinbar. Aber die beiden trauern. Trauer macht komische Dinge aus Menschen, das will ich ja auch gar nicht bestreiten. Doch dann kommt Joe hinzu. Der Neue, den plötzlich alle super heiß finden, mit diesen endlos langen Wimpern, der lieb ist und kein einziges negatives Attribut hat - und Lennie löst sich nicht von Toby, nein, sie macht einfach mit beiden rum. Im Abstand von Minuten. Ähhhhhh. Das Mädchen, das bis vor zwei Tagen noch unscheinbar und komplett unerfahren war (weil sie ja bisher nur drei Typen geküsst hat), ist plötzlich zur Sexbombe der Stadt geworden. Alles klar. Und das konnte ich ihr leider, leider nicht verzeihen. Weil sie sich nicht (nur) von Trauer gezeichnet verhalten hat, sondern einfach rücksichtslos und unfreundlich. Ich könnte mich noch über die "Liebe" zwischen ihr und Joe aufregen. Was anfangs nach einer süßen Liebesbeziehung aussieht, wird spätestens dann komisch, als Joe jeden Morgen in Lennies Haus kommt, Schokocroissants mitbringt und mit Lennies Onkel (wohlgemerkt ein Kiffer) und ihrer Oma anbändelt. Ach ja, ich vergaß. Nach drei Tagen Beziehung reden sie schon darüber, wann die liebe Lennie denn entjungfert werden soll. Spätestens an diesem Punkt sollte klar geworden sein, dass ich das Liebesideal, das im Buch vermittelt wurde, als völlig realitätsfern empfinde. Und überspitzt. Außerdem - das nur am Rande angemerkt - ist es super schräg, dass alle Charaktere total belesen zu sein scheinen und richtige Literati sind, Zitate und Charaktere um sich werfen. Auch hier denke ich mir: So verhalten sich keine Jugendlichen. Oder, die These stelle ich mal in den Raum, zumindest verhält sich ein Großteil der Jugendlichen absolut nicht so. (Grundsätzlich ist Lennies Familie komplett abgedreht, aber darauf jetzt einzugehen, würde wirklich den Rahmen sprengen.) Das mag nach meiner Schimpftirade zwar ein wenig abrupt kommen, aber ich hatte definitiv auch meine guten Momente mit Über mir der Himmel. So sehr ich mich auch über Lennies und Joes Beziehung aufgeregt habe, die beiden haben vereinzelte gute Momente - Momente, in denen ich grinsend vor dem Buch saß. Gerade, wenn man die Tatsache, dass die ganze Beziehung etwas überstürzt gestaltet ist, ignoriert, gibt es doch ein paar süße Szenen. Außerdem mochte ich, dass ein paar Überraschungsmomente eingestreut sind - zum Beispiel, als Lennie Dinge über ihre tote Schwester oder ihre Mutter, die vor sechzehn Jahren verschwunden ist, herausfindet. Ebenfalls gefiel mir, dass das Buch nicht ein komplett rundes Ende findet - dass Nelson zeigt, dass eben am Ende nicht alles perfekt ist und man nicht immer für jeden Aspekt eine Lösung finden kann. (Zugegeben: Das ist ihr nicht überall gelungen, aber ich schätze die Bemühung.) Der größte Pluspunkt des Buches ist jedoch der Schreibstil. Jandy Nelson ist wirklich eine unglaublich begabte Autorin - jedes Wort steht an seinem Platz. Besonders schön sind die kleinen Zettelchen, Gedichte oder Gesprächsfetzen, die Lennie schreibt und irgendwo - in der Stadt, im Wald - deponiert. Hier kommt eine unglaublich poetische Seite des Buches hervor, die mir sehr, sehr gut gefiel! Vor allem gab es doch ein paar Augenblicke, in denen ich mir dachte: Ja, das ist es. Wo Über mir der Himmel tatsächlich etwas in mir bewegte, wenn auch nur sporadisch - aber der Ansatz war da. Schlussendlich hatte ich einige Probleme mit dem Buch, konnte es im Großen und Ganzen aber gut lesen. Vor allem gehöre ich mit meiner Kritik zur Minderheit, das heißt, was mich gestört hat, macht euch vielleicht gar nichts aus. :) Mit Sicherheit werde ich noch zu Nelsons aktuellem Buch, Ich gebe dir die Sonne, greifen, gerade, weil mir oft gesagt wurde, dass dieses (noch) stärker sei. Es ist auf jeden Fall nicht das letzte Mal, dass ich ein Buch von ihr gelesen habe - Lennies Geschichte war einfach nicht ganz meins.

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