Rezension zu
Nullzeit
Experimente am Menschen
Von: Petra Lederer aus Leipzig"Raushalten" will sich der Jura-Student Sven Fiedler. Er verlässt Deutschland, weil dort jeder jeden beurteilt. Auf einer fiktiven Ferieninsel eröffnet er eine Tauchschule und muss es deshalb mit niemandem - außer mit seiner Freundin Antje - länger als ein paar Urlaubswochen aushalten. Er kann "abtauchen", muss keine Entscheidungen treffen. Das geht lange Zeit gut. So lange, bis Jola und Theo in seiner Idylle erscheinen. Sie haben Rundumbetreuung gebucht. Und bald muss Sven Entscheidungen treffen, die sein Leben und das Leben anderer in Frage stellen. Tauchgänge als Grenzsituationen, als Situationen, in denen sich der eine auf den anderen unbedingt verlassen muss, dienen Juli Zeh als Labor-Anordnungen, mit denen sie menschliche Verhaltensweisen distanziert und mit wissenschaftlichem Blick durchspielt. Da finden Manipulationen und physische Gewalt statt, es werden raffinierte Strategien entwickelt, jeder ist auf sich selbst zurückgezogen - aber letztlich sind Verhalten und Schicksale der drei Protagonisten untrennbar miteinander verflochten. Für den Leser bleibt bis zum Ende die Frage nach der Wahrheit spannend. Die Autorin nutzt u. a. das literarische Mittel des Tagebuchs, um authentische Einblicke in die menschliche Seele ihrer Figur Jola zu ermöglichen. Aber sie nutzt es auf ungewöhnliche Weise ... Juli Zeh ist mit "Nullzeit" ein spannender Roman gelungen, der von einer Atmosphäre der Ungewissheit und der aufgeheizten Beziehungen zwischen den Hauptfiguren lebt. Mit schonungsloser Konsequenz führt die Autorin ihr Experiment "am Menschen" durch und eröffnet Abgründe, die möglicherweise in jedem von uns schlummern.
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