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Rezension zu
Ungeduld des Herzens

Ungeduld des Herzens

Von: Feyza (FOEZ)
25.12.2016

Stefan Zweigs einziger fertiger Roman, handelt von leidenschaftlicher, einseitiger Liebe und falschem Mitleid. Mitleid, welches weniger von Nutzen, sondern mehr von Schaden ist, er nennt es „Ungeduld des Herzens“. Unser Schauplatz, in diesem Psychogramm einer unmöglichen Liebe, ist ein ungarisches Garnisonsstädtchen in österreichisch-ungarischem Grenzgebiet, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Leutnant Anton Hofmiller, ein gutherziger und sympathischer junger Mann ist dort stationiert und erhält eine Einladung in das Schloss des ungarischen Magnaten, wo er die gelähmte Tochter des Hauses, Edith, kennen lernt. Der Leutnant wird erst durch sehr unglückliche Umstände auf die Behinderung aufmerksam, welches ihm sehr peinlich sein wird. Unwissend fordert er das Mädchen zum Tanz auf, daraufhin bricht sie für ihn unerwartet plötzlich in Tränen aus. Später erfährt er von der Cousine Ediths die Wahrheit und verlässt fast schon voller Panik und Schuldgefühle das Haus. Damit hätten wir die Basis der Geschichte – „Das war die unselige Tölpelei, mit der die ganze Sache begann.“ Ab sofort will der arme Leutnant durch fast alle seine Handlungen, das vermeintliche Unrecht wieder gut zu machen, weil es ihm einfach nicht aus dem Kopf geht, dabei stellt er auch fest, was für ein schönes Gefühl es ist, einem anderen Menschen eine Freude zu machen. Dieses Gefühl wird für ihn immer intensiver und bald scheint es, dass Hofmiller sich ganz und gar auf Grund seines Mitleids für die Dankbarkeit des Mädchens und ihres Vaters aufopfert, die sie für seine Freundlichkeit entgegenbringen: „Nun aber war das Unerwartete geschehen, und staunend blickte ich mit aufgeschreckter Neugier mich selber an. Wie? Auch ich mittelmäßiger junger Mensch hatte Macht über andere Menschen? Ich, der keine fünfzig Kronen ehrlich meinen Besitz nennen konnte, vermochte einem reichen Manne mehr Glück zu schenken als alle seine Freunde? Ich, Leutnant Hofmiller, konnte jemandem helfen, ich konnte jemanden trösten? Wenn ich mich einen Abend, zwei Abende zu einem lahmen, verstörten Mädchen setzte und mit ihr plauderte, wurden ihre Augen hell, ihre Wangen atmeten Leben, und ein ganzes verdüstertes Haus ward licht durch meine Gegenwart?“ Und wie könnte es nun anderes kommen, als dass das gelähmte Mädchen sich schon bald in den Leutnant verliebt, der jedoch diese Entwicklung als Letzter bemerkt, als es schon viel zu spät ist, um noch etwas ändern zu können. Hofmiller macht der unheilbar Kranken leider aus Feigheit und einer ungünstigen Verstrickung heraus,Hoffnung auf eine unmögliche Genesung. Dr. Condor, der behandelnde Arzt, der in diese Geschichte ebenfalls eine Rolle spielt und selbst mit einer Blinden verheiratet ist, sagt dazu Folgendes: „Aber verhängnisvollerweise besitzt der Organismus, der Körper wie die Seele, eine unheimliche Anpassungskraft; so wie die Nerven immer mehr Morphium, benötigt das Gefühl immer mehr Mitleid, und schließlich mehr, als man geben kann. Einmal kommt unvermeidlich der Augenblick, da und dort, wo man „Nein“ sagen muss und sich nicht kümmern darf, ob der Andere einen für dieses letzte Weigern mehr hasst, als wenn man ihm nie geholfen hätte. Ja, lieber Herr Leutnant, man muss sein Mitleid richtig im Zaum halten, sonst richtet es schlimmeren Schaden an als alle Gleichgültigkeit – das wissen wir Ärzte und wissen die Richter und die Gerichtsvollzieher und die Pfandleiher; wenn die alle immer nur ihrem Mitleid nachgeben wollten, stünde unsere Welt still – gefährliche Sache das Mitleid, gefährliche Sache! Sie sehen selbst, was Ihre Schwäche angerichtet hat.“ Nichts hilft jedoch und der gutmütige Leutnant verwickelt sich immer mehr in eine vollkommen aussichtslose und schmerzhafte Situation. Auch für mich als Leserin sehr schmerzhaft, als Stich ins Herz, weil die Hilfsbereitschaft des Leutnants und die Verzwiflung des Mädchens so gut durch die Feder Zweigs spürbar ist, dass das Emphatielevel auf eine neue Stufe emporgehoben wird. Ich hatte oftmals das Verlangen Hofmiller zu schütteln und zu sagen, er solle damit aufhören und nicht alles schlimmer machen, für ihn und auch für sie. Und plötzlich finde ich mich selber Mitleid empfindend auf meiner Couch sitzen und frage mich, wie man denn da überhaupt noch rauskommen kann, vor allem als Edith erfährt, das Hofmiller einzig und allein aufgrund seines Mitleids mit ihr zusammen ist, da hat es wirklich mein Herz zerrissen: „Sie haben jetzt, glaube ich, wirklich die Wahrheit gesagt. Sehr, sehr höflich haben Sie sich ausgedrückt, und sehr gewunden. Aber ich hab Sie doch genau verstanden. Ganz genau verstanden…Sie kommen, sagen Sie, weil ich so „allein“ bin – das heißt auf gut deutsch: weil ich angenagelt bin an diesen verfluchten Liegestuhl. Nur deshalb also trotten Sie täglich heraus, nur als barmherziger Samariter kommen Sie zu dem „armen, kranken Kind“ – so nennt ihr mich wohl alle, wenn ich nicht dabei bin, ich weiß schon, ich weiß. Nur aus Mitleid kommen Sie, ja, ja, ich glaub’s Ihnen schon – warum wollen Sie’s jetzt wieder ableugnen? Sie sind doch ein sogenanter „guter“ Mensch und lassen sich gern von meinem Vater so nennen. Solche „gute Menschen“ haben Mitleid mit jedem geprügelten Hund und jeder räudigen Katze – warum nicht auch mit einem Krüppel?“ Ab diesem Zeitpunkt könnte man sich denken, er wird entweder komplett damit aufhören und sie verlassen oder er wird einen Schritt weitergehen, dies sei von meiner Seite aus nicht verraten. Das einzige was ich nur noch sagen möchte ist, das ich dieses Buch unglaublich geliebt habe. Für mich ist an Zweigs Sprache kein i-Pünktchen zu viel oder zu wenig, ich hätte es auch gelesen, wenn es 1000 Seiten gewesen wäre, weil er es schafft mich zutiefst zu berühren! Ich kann es nur empfehlen! Liebe Grüße Eure Feyza

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