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Rezension zu
Kokoro

Rührende Weltliteratur

Von: Britta Berger
23.01.2017

Kokoro – das bedeutet so viel wie Herz oder Gemüt. Klingt ganz spannend, dachte ich, und nahm das dünne Büchlein des japanischen Autors Natsume Soseki zur Hand. Und wusste erst gar nicht, was für ein Meisterwerk ich damit ausgesucht hatte. Kokoro gilt wohl als einer der meistgelesenen Romane Japans. Und sein Autor Natsume Soseki ziert sogar die 1000-Yen-Note und seine Romane sind Pflichtlektüre in den Schulen Japans. Der Roman ist in drei Teile gegliedert. Im ersten lernen sich der Student und sein Sensei (eine Anerkennende Bezeichnung gegenüber Lehrern oder älteren Menschen) kennen und freunden sich nach und nach an. Dem Studenten wird klar, dass der Sensei ein großes Geheimnis hat, dass ihm riesigen Kummer bereitet und ihn ziemlich menschenscheu, ja fast schon menschenverachtend hat werden lassen. Aber er will ihm nicht verraten, worum es sich handelt. Wir als Leser und der Student können uns nur zusammenreimen, dass es mit dem verstorbenen Jugendfreund des Senseis zu tun hat, dessen Grab er einmal im Monat besucht – und bei diesem Besuch darf niemand ihn begleiten. Weder der Student, noch die Frau des Senseis. Erst im letzten Teil des Buches erfahren wir in einem langen und detaillierten Brief des Senseis, welche Erinnerungen er in sich trägt und welche Schuld ihn belastet. An dieser Stelle will ich gar nicht zu viel verraten. Nur so viel: es ist eine klassische Dreiecksbeziehung. Aber hier kommt die Geschichte eigentlich erst so richtig in Fahrt. Denn die ersten beiden Teile sind eher stillere, passive Momentaufnahmen, in denen wenig Handlung von statten geht. Weder über den Sensei noch über den Studenten erfährt man wirklich viel. Die Figuren wirken irgendwie unnahbar. Das Gesamtbild des Romans und seiner Figuren erschließt sich aber tatsächlich erst, wenn man alle drei Teile zusammennimmt. Im eingeschobenen, zweiten Teil kehrt der Student in sein Elternhaus zurück. Wir erleben ihn in seiner „natürlichen“ Umgebung, treffen auf seine Eltern, die in der Provinz leben, wo das Leben und die Einstellungen eher rückständig sind und sehr Traditionsbewusst und „Regierungsergeben“. Der Vater des Studenten ist schwer erkrankt, die Mutter und nun auch der Student pflegen ihn. Aber so richtig ankommen kann der junge Mann zu hause nicht mehr. Seine eigenen Einstellungen sind durch das Studium und die Bekanntschaft mit dem Sensei so anders geworden, dass er sich mit seinen Eltern gar nicht mehr identifizieren kann. Ihre Einstellungen, ihr Verhalten – alles scheint ihm fremd. Der Preis für sein offenes, modernes Leben scheint zu sein, dass er seiner Familie lossagen muss… Natsumes Roman ist speziell. Wie schon gesagt, erschließt sich erst im letzten Teil der Geschichte ihr ganzer Umfang. Sehr lange scheint die Handlung mehr vor sich hinzuplätschern, es passiert nicht viel und man giert förmlich danach, herauszufinden, was für ein Geheimnis der Sensei verbirgt. Gleichzeitig ist der Ton unheimlich schwermütig und bedrückend. Es ist ein stilles Buch, ein zum Teil auch deprimierendes. An einer Stelle hätte ich den Studenten am liebsten herausgezogen und geschüttelt. Aber der Schüler und sein Meister haben eine ganz eigene Anziehungskraft zueinander, die für Außenstehende schwer zu verstehen scheint – auch für den Leser. Mich hat dabei auch etwas gestört, dass der Schüler in seinem Verhalten unheimlich passiv wirkt und dem Sensei so vollkommen verfallen scheint, ohne dass es wirklich einen greifbaren Grund für den Leser zu geben scheint. Man muss sich definitiv einlassen auf diese Geschichte und sie einfach „zulassen“ und wird dann vielleicht – so wie ich – zu Tränen gerührt sein.

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