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Rezension zu
Sturm über New Orleans

James Lee Burke: „Sturm über New Orleans“ (Heyne Hardcore)

Von: Christian Funke
25.01.2017

James Lee Burke „Sturm über New Orleans“ (Heyne Hardcore) Hurrikan Katrina trifft New Orleans mit voller Wucht. In der überfluteten Stadt treiben Leichen umher, und die Menschen versuchen panisch, ihr Hab und Gut zu retten. Die Häuser sind verlassen, der Strom ist weg und keine Spur mehr von Recht und Ordnung. Ein tiefer Graben des Misstrauens trennt die weiße und die schwarze Bevölkerung, während Hilfe der Behörden auf sich warten lässt. Inmitten dieses Szenarios soll Dave Robicheaux die Vergewaltigung an einem jungen Mädchen aufklären und einen verschwundenen Priester finden. Dabei müsste er sich viel dringender um den Gründer einer Bürgerwehr kümmern, der wesentlich gefährlicher ist als die vielen Verbrecher, die damit beschäftigt sind, die Stadt zu plündern. James Lee Burke, 1936 in Louisiana geboren, wurde bereits Ende der Sechzigerjahre von der Literaturkritik als neue Stimme aus dem Süden gefeiert. Nach drei erfolgreichen Romanen wandte er sich Mitte der Achtzigerjahre dem Kriminalroman zu, in dem er die unvergleichliche Atmosphäre von New Orleans mit packenden Storys verband. Burke, der als einer der wenigen Autoren sogar zweimal mit dem Edgar-Allan-Poe-Preis für den besten Kriminalroman des Jahres ausgezeichnet wurde, lebt abwechselnd in Missoula/Montana und New Orleans. © Heyne Hardcore, Frank Veronsky & James Parker McDavid Meinung zur Veröffentlichung: Ein Dave-Robicheaux-Krimi Der 1936 geborene James Lee Burke zählt gegenwärtig zu den weltweit besten Krimiautoren und ist einer der kantigsten und markantesten Figuren. Bekannt wurde er durch seine Reihe um den ehemaligen Alkoholiker und Südstaaten-Polizisten Dave Robicheaux, den man als sein literarisches Alter Ego bezeichnen mag und dessen wohl persönlichsten und wütendsten Roman Sturm über New Orleans wir hier in einer Neuauflage vorliegen haben. Burkes berufliche Laufbahn ist so abwechslungsreich wie seine private, in der er immer wieder mit massiven Alkoholproblemen zu kämpfen hatte. Nun ist er glücklicherweise seit mehr als drei Jahrzehnten trocken, was sich auf positive Weise in seinem künstlerischen Output niederschlägt. Denn waren es zwischen 1965 und 1982 vier veröffentlichte Bücher, folgten diesen ab 1982 knapp dreißig weitere und festigten seinen Ruf eines überaus talentierten und sprachgewandten Autors der sowohl in den Bestsellerlisten auftauchte, als auch beispielsweise für den Pulitzer-Preis nominiert wurde. Einige seiner Werke wurden zwischenzeitlich erfolgreich verfilmt, deutlich mehr könnten es sein, doch ein Rechtsstreit behindert aktuell die weiteren Verfilmungen. Doch zurück zu Sturm über New Orleans! Mit seiner Romanfigur Dave Robicheaux, Vietnam-Veteran, trockener Alkoholiker und Lieutenant im Ersten Revier des New Orleans Police Departments, schuf er eine Figur, die facettenreich aufgebaut für den Leser greifbar und authentisch ist. In seinem mittlerweile 16. Fall befindet sich New Orleans nach dem verheerenden Hurrikan „Katrina“ im Ausnahmezustand. Die Verwüstungen sind schrecklich, die Menschen in Schockstarre. Dave Robicheaux wird mit einigen Kollegen in das Krisengebiet beordert, um hier zu unterstützen und für Ordnung zu sorgen. Bei seinen Ermittlungen in einer Schießerei, bei der ein Jugendlicher tödlich getroffen wurde, stößt er auf ein Netzwerk aus Verbrechen und Bandenkriminalität, die weitaus umfangreicher und gefährlicher sind, als angenommen. Sturm über New Orleans (Originaltitel: The Tin Roof Blowdown 2007) erscheint in einer Übersetzung von Georg Schmidt als Taschenbuch mit Klappenbroschur in seiner äußeren Gestaltung gewohnt stimmigen, allerdings im Format etwas kleineren Ausgabe der verlagseigenen Burke-Reihe bei Heyne Hardcore (576 Seiten, €10,99). Das Buch enthält neben einem Gruß vom Autor an die deutschen Leser ein informatives Nachwort über Burke und seine Figuren von Oliver Huzly. James Lee Burke scheint mit seiner bildgewaltigen Sprache und seinen eindrucksvollen Beschreibungen das Genre des Thrillers sprengen zu wollen. Sturm über New Orleans ist ein faszinierender, sehr aktueller Roman, der seine Krimihandlung nutzt, auf gesellschaftliche und politische Probleme aufmerksam zu machen. Ein lesenswerter Roman, den ich unbedingt empfehlen kann! Im Namen der Gerechtigkeit Als James Lee Burke Mitte der Achtzigerjahre beginnt, über einen alkoholsüchtigen Cajun-Cop zu schreiben, der mit seinen Erinnerungen aus dem Vietnamkrieg kämpft, ist er fast fünfzig und hat bereits viele Ups und Downs hinter sich. Dabei ließ sich alles so gut an: Gleich nach dem Studium veröffentlicht er erste Stories, erhält begehrte Stipendien, publiziert in der Folgezeit drei Romane, bekommt positive Kritiken. Mit dem Manuskript zu seinem vierten Werk allerdings gerät seine Karriere in eine Sackgasse, denn für The Lost Get-Back Boogie erhält er nur Absagen, die Legende besagt: mehr als 100 an der Zahl (später wird der Roman für den Pulitzerpreis nominiert). Erst 13 Jahre später interessiert sich wieder ein Verlag für ihn. In dieser Dürreperiode hält JLB die fünfköpfige Burke-Familie mit Jobs über Wasser, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Er arbeitet auf texanischen Ölfeldern, ist als Journalist in Louisiana und Sozialarbeiter in Los Angeles tätig, unterrichtet Englisch an verschiedenen Colleges. Neben finanziellen Problemen hat Burke in diesen Jahren auch mit einer schon früh entwickelten Alkoholsucht zu kämpfen. 1977 geht es nicht mehr weiter, und er beschließt, trocken zu werden. Tatsächliche Hilfe für seine Probleme findet er allerdings erst, als er in den frühen Achtzigern ein Zwölf-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker absolviert. Von diesem Zeitpunkt an verarbeitet er die Erfahrungen mit dem Alkoholismus auch in seinen Büchern – die Figur des Dave Robicheaux ist geboren. 1987 ermittelt Robicheaux das erste Mal in Neonregen und kommt anschließend in zwanzig weiteren Romanen und zwei Hollywood-Adaptationen (1996 mit Alec Baldwin, 2009 mit Tommy Lee Jones) zum Einsatz. Als Mitarbeiter des Sheriffbüros von New Iberia, einer verschlafenen Kleinstadt in den subtropischen Sumpflandschaften Louisianas, repräsentiert Robicheaux zwar das Gesetz, übertritt es aber auch mit notorischer Regelmäßigkeit in seinem Streben nach Gerechtigkeit und Wahrheit. Von einem festen Moralkodex geleitet, ringt der trockene Alkoholiker, Vietnamveteran und Witwer immer wieder mit Depressionen, lässt aber auch keine Möglichkeit aus, sich mit selbstzerstörerischem Eifer in die Schlachten gegen das Geschmeiß dieses Planeten zu werfen. Ein komplexer Charakter, der die Welt in Schwarz und Weiß aufteilt: Drogendealer, Mafiabosse, Zuhälter, Vergewaltiger, Psychopathen, korrupte Politiker – sie alle sollen bluten. Als durchweg anständiger Kerl und wahrer Gentleman steht Dave stets auf der Seite der Entrechteten und Marginalisierten. Angetrieben von der Hybris, er, und nur er, sei der Typ, der die Sache geraderücken und gegen alle Widerstände für Gerechtigkeit sorgen muss, ist Robicheaux ein Typ, der sich nicht unterordnen kann und will und sich einen Scheißdreck um die Konsequenzen kümmert. Auch der Charakter des Anwalts Billy Bob Holland, den James Lee Burke in den späten Neunzigern ins Rennen schickt, wird von einer Weltsicht geleitet, die klar zwischen Richtig und Falsch, Gut und Böse unterscheidet. »Ich war Streifenpolizist gewesen, Texas Ranger, Bundesanwalt, und jetzt war ich Strafverteidiger in einer Kleinstadt, aber ich vertrat keine Drogendealer und kam mir dabei erhaben vor, besser als die anderen Anwälte, die sich keine solchen Einschränkungen auferlegten«, stellt Billy Bob in Dunkler Strom klar. Die Methoden, die der Anwalt Holland in einer Kleinstadt in Montana zur Aufklärung von Verbrechen einsetzt, sind subtiler und gesetzmäßiger als jene des Deputy Sheriffs Robicheaux, aber das übergeordnete Ziel ist das Gleiche: Gerechtigkeit. Beide Figuren sorgen für reichlich Kritikerlorbeeren und bringen JLB Auszeichnungen mit den renommierten Edgar Awards für den besten Kriminalroman des Jahres ein – Robicheaux mit Black Cherry Blues (1990) und Holland mit Cimarron Rose (1998). Mit Regengötter bringt Burke einen weiteren Charakter im Kampf gegen das Böse an den Start: den hartgesottenen Sheriff Hackberry Holland aus Texas. Hackberry ist der Cousin von Billy Bob und hat, wie alle Protagonisten in JLB-Romanen, ein schweres Bündel zu tragen: Trauma durch Kriegsgefangenschaft in Nordkorea (bereits in einem Frühwerk von JLB aus dem Jahr 1971 namens Lay Down My Sword and Shield spielt Hackberry Holland eine Rolle), anschließend Krise, Alkoholsucht, Bordellbesuche, Scheidung, verkorkste Politkarriere, Depressionen und Selbstekel ohne Ende. Als die über alles geliebte zweite Frau verstirbt, zieht Hackberry in ein unwirtliches Kaff an der Grenze zu Mexiko und tritt als Sheriff gegen psychopathische Massenmörder, Menschenhändler, Mobster und anderen Abrieb an. Weit jenseits des Rentenalters ist Hackberry trotz Ischiasproblemen, knackender Gelenke und Todesvisionen noch ziemlich rüstig und bearbeitet seine Widersacher genau so gern mit dem unteren Teil des Billardqueues wie Robicheaux oder sein Cousin in Montana. Was ihn von Dave und Billy Bob unterscheidet? Nun, Hackberry hat sein Leben bereits gelebt, hat so viel gesehen und durchgemacht, dass es manchmal wehtut. Durch seine frühere Anwaltstätigkeit für die Amerikanische Bürgerrechtsunion ACLU und die vergangene Ehe mit einer Gewerkschaftsführerin sieht er viele Dinge anders, als man es von einem Sheriff aus Texas erwarten würde. Immer wieder kommentiert er gesellschaftspolitische Zusammenhänge, thematisiert die dunklen Kapitel der US-amerikanischen Geschichte und spricht ungerechte Verhältnisse an. Hackberry Holland ist die aktuellste und auch eine der komplexesten Figuren von James Lee Burke. Zudem vereint sie viele Puzzleteile aus dem Leben des Großmeisters des Krimi-Genres, der 2009 vom Verband US-amerikanischer Krimi-Schriftsteller MWA mit dem Grand Master Award für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. (Quelle: Heyne Hardcore) Christian Funke

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