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Rezension zu
Der Kalligraph des Bischofs

Das frühe Mittelalter im Zeichen des Glaubens

Von: Michael Taube
31.01.2017

Im Frühjahr 2016 erschien die überarbeitete Auflage des Erstlingswerkes von Titus Müller aus dem Jahre 2002. Das wundervoll gestaltete Cover mit dem Bild eines mittelalterlichen Buchlesers sowie die Blumenranken lockten mich. Turin als Spielort, das 9. Jahrhundert und der helle, eher feminin wirkende Einband ließen mich hoffen, ein leichtes, etwas romantisches Szenarium zu erleben. Allerdings bekam ich nicht, was ich erwartet habe. Aber ich lernte etwas Neues über den Beginn der Waldenserbewegung. Der Roman hat mehrere Erzählstränge, die sich immer wieder kreuzen. Einerseits wird die Geschichte des unehelichen Grafensohn Germunt erzählt, der vor rachsüchtigen Adligen aus seiner Heimat fliehen muss und in Turin strandet. Er wird dort in den sieben freien Künsten unterrichtet und erobert sich eine Stelle als Schreiber beim Bischof von Turin. Dieser Bischof ist der Westgote Claudius, der erst die Stadt vor den angreifenden Sarazenen beschützen muss und dann verhaltens- und glaubensauffällig wird. Und der dritte Strang handelt von der Liebe, der Liebe zwischen einer Blinden und unserem Germunt, der Liebe von Claudius zu einer Frau (mehr darf ich hier nicht verraten). Die ersten 300 Seiten sind gut erzählt, eine ruhige Art des Erzählens, die ohne allzu kriegerischen, sexuellen oder Zaubernummern auskommt. Titus Müller schafft es mich in die Zeit um 820 nach unserer Zeitrechnung nach Norditalien, in die Alpen und nach Tours zu entführen. Allerdings werden mir die Zusammenhänge nie wirklich deutlich. Natürlich verstehe ich, dass ein Roman einen Spannungsbogen haben muss, und die Auflösung kommt auch. Aber hier hätte ich auf Grund der Geschichte und meiner Erwartungen das Buch bereits weggelegt. Und das Beste verpasst! Selbstverständlich lässt mich der Autor nicht dumm sterben. Meine Fragen sind geklärt beim letzten Wort des Romans. Aber der für mich, für meine historischen Interessen besondere Aspekt erscheint erst im Nachwort. Dort enthüllt Müller die historischen Hintergründe, insbesondere die des neuen Glaubens des Bischofs Claudius. Er gilt als Mitbegründer der Bewegung der Waldenser, einer religiösen Abspaltung wie die Katharer. Und hier muss ich nachträglich sagen, dass hat der Autor großartig beschrieben. Auf einmal machten die Aktionen des Bischofs Sinn. Beim Lesen selber verwirrten sie mich, aber mit dem Hintergrundwissen werden sie nachvollziehbar und zeichnen vor allem ein sauberes Sittenbild der Reaktionen der Gläubigen und der Kirche. Damit ist mein eigener Anspruch immer erst das Nachwort zu lesen, mal wieder bestätigt worden. Neben dem Nachwort hätte ich gerne auch eine Karte von Turin oder eine Karte von den Reisewegen von Germunt gehabt. Mein Fazit: Leser ruhiger, historisch interessanter Geschichten werden ihre Freude haben. Halten Sie die ersten Seiten durch, es lohnt sich. Für Leser, die sich für die religiösen Entwicklungen um das Häretikertum interessieren, ist das Buch ein Muss.

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